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Das letzte Buch

Das letzte Buch

Titel: Das letzte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Zivkovic
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Buchhandlung zu sein. Ich werde Ihnen gern
     helfen. Wir haben ein Verzeichnis aller Bücher im Computer. Welches suchen Sie?«
    Ich seufzte. »Ich weiß es nicht.«
    Sie sah mich verdutzt an.
    |49| »Sie wissen den Titel nicht?«
    »Nein.«
    »Und den Namen des Autors?«
    »Auch nicht.«
    »Aber wie würden Sie es dann finden?«
    »Ich würde es erkennen, wenn ich es sehe.«
    »Da kann der Computer nicht helfen.«
    »Das scheint mir auch so.«
    »Wissen Sie wenigstens etwas über das Buch, nach dem Sie suchen?«
    »Es ist ein Detektivroman, denke ich.«
    »Davon haben wir nicht viele, außer wenn es anspruchsvolle Literatur ist. Darüber haben wir schon geredet.«
    »Ich weiß nicht, ob das, was ich suche, zur anspruchsvollen Literatur gehört oder nicht.«
    »Haben Sie es früher einmal gelesen?«
    »Ich würde sagen, ja.«
    »Sie würden sagen?«
    Ich hob die Tasse und trank den Tee aus.
    »Das muss Ihnen alles verwirrend vorkommen.«
    »Vielleicht versuchen Sie mal, es mir zu erklären.«
    »Ich kann es versuchen, aber ich bin nicht sicher, ob es Ihnen dadurch viel klarer wird. Mir ist es ja selbst nicht klar.
     Alles hat angefangen, als wir das erste Mal miteinander gesprochen haben. Als Sie nach dem ersten Todesfall die Polizei gerufen
     haben. Erinnern Sie sich?«
    »Wie könnte ich das vergessen?!«, erwiderte sie lächelnd.
    »Noch während ich Ihnen zuhörte, hatte ich einen merkwürdigen Eindruck. So als hätte ich schon einen Augenblick vorher gewusst,
     was Sie sagen werden, noch ehe Sie es ausgesprochen hatten.«
    »Als hätten Sie es schon gesehen?«
    Ich zog die Brauen hoch und schüttelte den Kopf.
    »Eher so, als hätte ich es schon gelesen.«
    |50| »Von so einer Erscheinung habe ich noch nie gehört.«
    »Ich auch nicht. Aber jedenfalls war es mir so vorgekommen. Als sagten Sie Worte aus einem Buch, das ich schon gelesen habe.«
    »Wie hätte das sein können? Ich lese doch keine Detektivromane!«
    »Ich lese auch nicht viele, und doch war mir, als wäre das, was ich gerade sagte, auch aus diesem Buch.«
    Sie trank ein wenig Tee. Ihre Tasse war noch mehr als halb voll.
    »Vielleicht sollten Sie diesem einen seltsamen Eindruck nicht zu viel Bedeutung beimessen. Ich selbst erlebe auch manchmal
     etwas, was ich schon gesehen habe, aber ich gehe darüber hinweg. Was soll man sonst tun?«
    »Es war nicht nur ein Eindruck.«
    »Nicht?«
    »Nein. Alles, was nach unserem ersten Gespräch passiert ist, kam mir vor wie bereits gelesen. Auch das hier in der Teestube.«
    Sie schaute mir in die Augen.
    »Da bin ich womöglich eine Heldin aus einem Schundroman?!«, sagte sie wiederum lächelnd.
    »Kommt Ihnen das wie ein Schundroman vor?«
    An ihrer Miene sah man, dass sie zögerte, was sie sagen sollte. Schließlich wich sie einer Antwort aus.
    »Es bleibt Ihnen nichts weiter übrig, als sich in der Buchhandlung auf die Suche zu machen. Ich hoffe, Sie finden dieses rätselhafte
     Buch. Ich würde es gern lesen, ganz gleich, ob es anspruchsvolle Literatur ist oder Schund.«
    Sie hob noch einmal die Tasse und trank den Tee aus.
    »Wir müssen gehen«, sagte sie, als sie die Tasse wieder hingestellt hatte, und wandte sich dem Alten zu. Er werkelte eifrig
     hinter der Theke herum, dennoch merkte er irgendwie, dass sie ihn ansah. Sofort kam er in schwankendem Gang an |51| unseren Tisch. Als er bei uns war, zückte ich das Portemonnaie, doch er schüttelte den Kopf.
    »Herr muss zahlen nicht. Erstes Mal hier. Dann wiederkommen. Hoffe, Feigentee war gut. Und gut erzählt?«
    »Sehr gut«, sagte Fräulein Gavrilović und warf ihm einen kurzen Blick zu. »Der Feigentee hat uns wirklich zu einem interessanten
     Gespräch angeregt.«
    Der Alte verbeugte sich zweimal und grinste.
    »Bin froh. Sehen bald wieder.«
    Als wir uns erneut unter ihren Schirm drückten, fasste sie mich unter. Dadurch war wohl etwas mehr Platz.

|52| 8.
    Während ich den Schirm vor dem Eingang abschüttelte, betrat Fräulein Gavrilović die Buchhandlung. Ich ging nach ihr, und als
     ich die Tür schloss, klingelten die Schellen erneut.
    Sie wandte sich zu mir um und sah mich verdutzt an. Ich brauchte einen Moment, um den Grund dafür zu verstehen. In der Buchhandlung
     war niemand.
    Dann hörte man ein Rascheln aus dem Hinterzimmer. Ich gab Fräulein Gavrilović ein Zeichen, sie solle am Eingang bleiben, und
     ging selbst dem Geräusch nach. Ich war auf halbem Wege dorthin, als sich die Tür hinter dem Verkaufstisch öffnete und Doktor
    

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