Das letzte Buch
orangefarbenen Puder, aus
dem nächsten etwas, das mir vorkam wie brauner Zucker, und aus dem dritten einen Schnitz einer getrockneten schwarzen Pflanze.
Während sie das alles in meiner Tasse mischte, wurde der grünliche Tee gelbbraun. Sie lachte, als sie sah, wie ich die Stirn
runzelte.
»Ich habe lange die verschiedenen Zutaten ausprobiert, bis ich diese Variante gefunden habe. Das Aussehen sollte Sie nicht
täuschen. Ich bin überzeugt, dass er Ihnen schmecken wird!«
Ich hob die Tasse, aber sie fasste mich sanft am Arm, ehe ich sie zum Mund führen konnte.
»Sie müssen warten, bis er sich ein wenig abgekühlt hat. Tee darf man nie zu heiß trinken.«
Ich stellte die Tasse wieder hin, und sie zog die Hand zurück.
»Und was ist Ihre Erklärung?«, fragte ich.
»Meine Erklärung?«
»Dafür, dass Sie nicht verheiratet sind.«
»Ach so.« Sie blickte in ihre Teetasse, während sie mit dem Löffelchen umrührte. »Die Buchhandlung natürlich. Sie lässt mir
nicht viel Zeit für andere Dinge.«
»Wer hätte das gedacht?! Ich habe geglaubt, das gilt nur für die Arbeit bei der Polizei.«
»Auch für mich hat alles anders ausgesehen, als ich vor sieben Jahren mit Olga den Laden eröffnet habe.«
»Was ist anders, als Sie es sich vorgestellt hatten?«
»Ich dachte, eine Buchhandlung zu führen sei ideal. Ich dachte, das sei eine künstlerische Arbeit, dabei ist es überwiegend
eine kommerzielle. Manchmal habe ich den Eindruck, |47| sie unterscheidet sich nicht von einem Krämerladen, zumindest was den Papierkram betrifft.«
»Ich beneide Sie um diesen Krämerladen!«
Sie warf mir einen kurzen, warmen Blick zu und richtete ihn dann wieder auf den Strudel in der Teetasse.
»Wir wollten aus dem ›Papyrus‹ einen Literatursalon machen. Daher auch die Sessel. Es waren anfangs sogar acht. Aber statt
eines ausgewählten Publikums bekamen wir Patienten.«
»Haben Sie mal daran gedacht, etwas anderes zu machen?«
»Nein. Trotz aller Unzulänglichkeiten liebe ich meine Arbeit in der Buchhandlung. Das geht einem ins Blut.«
»So weit, dass Sie dafür Ihr Privatleben opfern?«
Die Wärme in ihrem Blick ging verloren.
»Das könnte ich Sie genauso fragen. Was verbindet Sie so sehr mit der Arbeit bei der Polizei, wenn sie Ihnen das Privatleben
raubt?«
»Wie Sie sagten, es geht einem ins Blut.«
Wir versanken in Schweigen. Das junge Paar am Nebentisch stand auf und ging zur Tür. Als sie fort waren, blieb als einziges
Geräusch in der Teestube das Klappern des Löffelchens in der Tasse.
Bald hörte sie auf zu rühren.
»Ich denke, er ist genügend abgekühlt. Sie können ihn kosten.«
Vorsichtig schlürfte ich die bräunliche Flüssigkeit.
»Das ist der beste Tee, den ich bisher getrunken habe!«
Wieder strahlte sie.
»Das freut mich.«
Ich nahm einen größeren Schluck und noch einen. Wäre ich allein gewesen, ich hätte sofort die Tasse leer getrunken. So aber
setzte ich sie nur ungern wieder ab.
»Wissen Sie«, sagte ich, »das mit den Patienten ist gar nicht so schlecht. Da fehlt es wenigstens nicht an Aufregung.«
|48| »Oh, keinesfalls. Die gibt es im Überfluss! Und besonders jetzt, mit diesen Todesfällen.« Sie hielt inne, und ihre Miene wurde
ernst. »Glauben Sie, dass wir schließen müssen?«
»Weshalb?«
Sie zögerte ein wenig. »Na …wenn das so weitergeht …«
»Das wird nicht so weitergehen. Sie haben den Durchschnitt an Sterbefällen in einer Buchhandlung schon reichlich überschritten.«
»Aber wenn der Arzt etwas findet?«
»Was sollte er denn finden?«
»Ich weiß nicht. Aber er sucht doch nach etwas, nicht wahr?«
Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. »In zwanzig Minuten werden wir erfahren, ob er gefunden hat, wonach er sucht.«
»Vielleicht hätten wir ihn in der Buchhandlung nicht allein lassen sollen.«
Ich lachte. »Keine Angst, ihm droht keine Gefahr. Pathologen sterben nicht einmal in Detektivromanen. Aber wenn wir schon
dabei sind, würde ich Sie gern etwas fragen.«
»Ja?«
»Gibt es Gründe, dass Sie noch länger im Laden bleiben, wenn Doktor Dimitrijević gegangen ist?«
»Ich bleibe mindestens noch eine halbe Stunde dort. Ich muss den Papierkram erledigen und auch die Bücher ordnen, die da verstreut
liegen. Warum fragen Sie?«
»Würde es Sie stören, wenn ich Ihnen dabei Gesellschaft leiste? Ich will versuchen, ein Buch zu finden.«
»Ihre Gesellschaft wäre mir angenehm. Es ist nicht mehr erfreulich, allein in der
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