Das letzte Buch
Dimitrijević erschien.
»Ach, Sie sind wieder da. Genau zur rechten Zeit. Ich bin gerade fertig.«
Er streifte langsam die Plastikhandschuhe ab. Unter seinem Kinn ein Mundschutz aus Gaze.
»Ich wusste nicht«, sagte Fräulein Gavrilović, »dass Sie auch das Hinterzimmer interessiert.«
»Es ist doch ein Teil der Buchhandlung.«
»Aber Besuchern ist der Zutritt nicht gestattet.«
»Trotzdem wird es ja benutzt.«
»Von keinem außer mir und meiner Kollegin, mit der ich das Geschäft leite. Werden wir deshalb verdächtigt?«
»Weshalb?«
»Nach allem, was geschehen ist. Drei Tote!«
|53| »Wie können Sie verdächtigt werden? Es handelt sich doch nicht um Morde, sondern um natürliche Sterbefälle.«
»Und woran sind die Leute gestorben?«
Doktor Dimitrijević begab sich zu einem Sessel. Er nahm den Mundschutz ab und steckte ihn zusammen mit den Handschuhen in
die Tasche, die er dort hingestellt hatte.
»Das weiß ich noch nicht. Vielleicht kann ich bei der Untersuchung der Proben etwas feststellen.«
»Proben?«
»Ja. Ich habe Proben von verschiedenen Materialien entnommen, die sich in der Buchhandlung befinden.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel von Papier. Das ist hier am meisten vorhanden, was auch verständlich ist, also könnte es die Hauptursache für
das Dilemma sein.«
»Wie sollte Papier so ein schreckliches Dilemma wie den Tod auslösen?«
»Es gibt Menschen, die auf Papier allergisch reagieren.«
»Aber die würden doch eine Buchhandlung meiden!«
»Nicht unbedingt. Vielleicht wissen sie gar nicht, dass ihnen Gefahr droht. Die Allergie kann auch nur bei einer bestimmten
Papiersorte auftreten. Die Übrigen sind völlig unschädlich, während die eine im wahrsten Sinne tödlich ist.«
»Davon hatte ich keine Ahnung. Aber das macht die Arbeit in der Buchhandlung sehr gefährlich?!«
»Sie können beruhigt sein. Papierallergie ist äußerst selten.«
Auf Fräulein Gavrilovićs Gesicht erschien ein ironisches Lächeln.
»Würden Sie durchschnittlich einen Toten pro Tag als selten bezeichnen?«
»Ach, nicht in allen drei Fällen muss Papier schuld sein. Es gibt auch andere Verursacher gefährlicher Allergien. Staub zum
Beispiel.«
|54| »Staub? Aber hier ist kein Staub. Wir achten in der Buchhandlung streng auf die Sauberkeit.«
»Ich stimme völlig zu. Um die Sauberkeit und Ordnung hier könnte Sie sogar manche Apotheke beneiden. Aber Sie mögen sich noch
so sehr bemühen, den Staub zu beseitigen, am Ende siegt er doch immer. Besonders da, wo es viele Bücher gibt.«
»Was sollen wir denn tun?«
»Sie müssen gar nichts tun. Wenn hier jemand daran verstorben ist, dann handelt es sich bestimmt um die einzige Person in
der ganzen Stadt, für die der Staub in der Buchhandlung tödlich ist. Diese Allergie ist noch seltener als die auf Papier.
Das Gleiche gilt auch für Asche.«
Fräulein Gavrilović und ich wandten uns gleichzeitig zum Kamin um.
»Asche?«
»Ja. In der Fachliteratur werden Beispiele schwerer allergischer Reaktionen auf Asche angeführt. Aber das ist am wenigsten
wahrscheinlich. Dazu kann es kommen, wenn irgendwelche gefährlichen Stoffe verbrannt werden, aber Sie verwenden, soweit ich
sehe, gewöhnliches Buchenholz.«
»Sollen wir vielleicht die Heizung auswechseln?«
Doktor Dimitrijević schüttelte den Kopf.
»Keinesfalls. Sie müssen verstehen, vor einer Allergie gibt es keinen vollkommenen Schutz. Selbst wenn Sie die Buchhandlung
in eine hermetisch verschlossene, sterile Kammer verwandeln, wäre nicht einmal das eine Garantie. Und wer würde dann noch
hierherkommen und Bücher kaufen?«
»Niemand«, entgegnete Fräulein Gavrilović leise.
Doktor Dimitrijević lächelte.
»Genug von den Proben, die ich eingesammelt habe. Ich habe Sie nur unnötig erschreckt. Sie haben keinen Grund zur Besorgnis.
Sie haben das Pech, dass in kurzer Zeit sogar drei Menschen in Ihrem Laden aus nicht alltäglichen Gründen gestorben |55| sind. Aber das ist nun bestimmt vorbei. Ich hoffe, das alles wird die Besucher nicht von der Buchhandlung fernhalten.«
»Bisher nicht«, sagte Fräulein Gavrilović. »Ganz im Gegenteil. Der erste Fall wirkte wie ein Köder. Wir werden sehen, was
nach den beiden jetzigen passiert. Mir graut davor, was die Klatschpresse anstellen könnte …«
»Keine Angst«, sagte Doktor Dimitrijević und winkte ab. »Was immer sie schreiben, sie können Ihnen nicht schaden. Die Leser
der Klatschpresse kommen nicht in solche
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