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Das letzte Buch

Das letzte Buch

Titel: Das letzte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Zivkovic
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Buchhandlungen, und Ihre Kunden lesen keine Boulevardzeitungen.«
    Fräulein Gavrilović seufzte tief. »Hoffen wir es!«
    »Gut. Jetzt muss ich gehen. Wir hören bald voneinander, Kommissar. Könnten Sie mir Ihre Handynummer geben?«
    »Natürlich.«
    Er nahm sein Handy und programmierte meine Nummer in sein Adressbuch.
    »Danke. Auf Wiedersehen, Fräulein Gavrilović. Ich weiß nicht, ob Sie das als Kompliment betrachten, aber Ihr Laden ist einer
     der angenehmsten Orte, an denen ich gearbeitet habe.«
    »Danke für das Kompliment, Doktor«, entgegnete sie mit dem Anflug eines Lächelns.
    Er ging zum Ausgang, nahm seinen Mantel vom Garderobenständer, zog ihn über und trat hinaus. Die Stille hielt noch eine Weile
     an, nachdem die Türschellen verstummt waren.
    »Kommissar Lukić …«, brachte Fräulein Gavrilović schließlich hervor, doch ich unterbrach sie.
    »Dejan.«
    Sie sah mir tief in die Augen. Und da war keine dunkelrote Beleuchtung mehr, die ihre Röte überdeckt hätte.
    »Dejan.«
    »Ja, Vera?«
    |56| Mir schien, sie hatte etwas anderes sagen wollen, es sich jedoch im letzten Augenblick überlegt.
    »Wenn ich dir irgendwie helfen kann …«
    »Danke, aber ich sehe nicht, wie du mir helfen könntest, wenn ich selbst nicht weiß, wonach ich suche. Aber soll ich dir beim
     Ordnen helfen?«
    Ich zeigte auf die durcheinandergeworfenen Bücher auf dem Fußboden.
    »Nein, nein, das geht bei mir ganz schnell. Befasse du dich nur mit deiner Suche!«
    Sie ging ins Hinterzimmer, um ihren Mantel abzulegen, und ich hängte den meinen an den Garderobenständer und ging zum nächstliegenden
     Regal. Als ich sie zurückkommen hörte, wandte ich mich um. Für einen Moment trafen sich unsere Blicke. Wir lächelten beide.
    Als ich gesagt hatte, ich könnte das Buch erkennen, wenn ich es sähe, war ich zu optimistisch gewesen. Ich hatte ja keine
     Ahnung, wie es aussah. Es konnte passieren, dass es mir unter die Augen kam und ich es überhaupt nicht merkte. Doch es war
     weitaus wahrscheinlicher, dass es nur in meiner Fantasie existierte. Dass es überhaupt kein solches Buch gab.
    Wirklich, wenn ich nüchtern nachdachte wie das ein Kriminalbeamter wohl tun sollte – wie sollte es ein solches Buch geben,
     in dem alles beschrieben wird, was mir in diesem Augenblick passierte? Natürlich ging so etwas gar nicht! Das hier war Wirklichkeit
     und nicht Literatur. Sollte ich zulassen, dass mein Studium zum ersten Mal meine Arbeit beeinträchtigte?!
    Andererseits war der Eindruck, ich hätte es schon gelesen, wirklich stark. So etwas hatte ich noch nie erlebt! Doch das Unangenehmste
     dabei war die Einsicht, dass ich in eine Falle geraten war, aus der es keinen Rückzug gab. Bereits einen Moment, bevor ich
     etwas sagte, wusste ich, dass genau diese |57| Worte folgen würden, so wie ein Schauspieler, der seine Rolle auswendig kennt. Mehrmals versuchte ich, dem Unweigerlichen
     auszuweichen, etwas anderes zu sagen, aber es ging nicht.
    Langsam wanderte mein Blick über die Buchrücken. Ab und zu zog ich ein Buch heraus und blätterte es kurz durch. Vera brauchte
     etwa eine Viertelstunde, bis sie das Regal wieder eingeräumt hatte. Danach ging sie zur Kasse und beschäftigte sich mit den
     Abrechnungen. In der Buchhandlung war es ganz still. Nicht zu vergleichen mit jenem Ort voller Unruhe, den ich vor etwa zwei
     Stunden betreten hatte.
    »Gibt es eine Spur?«
    Ich stellte das Buch, das ich in der Hand hielt, ins Regal zurück und drehte mich um. Sie sah mich über die Lesebrille hinweg
     an, die sie halb auf die Nase heruntergezogen hatte.
    »Keine. Bist du fertig?«
    Sie nahm die Brille mit dem Band ab und legte sie in eine Schublade unter der Kasse.
    »Nicht ganz, aber den Rest mache ich morgen. Die Aufregung heute hat mich völlig erschöpft.«
    Ich ging auf den Verkaufstisch zu.
    »Mich auch. Man muss ausgeruht sein, wenn man nach etwas sucht, von dem man nichts weiß. Ich würde morgen weitermachen, wenn
     du gestattest.«
    Sie lächelte.
    »Natürlich. Obwohl die Suche vielleicht nicht mehr erforderlich sein wird.«
    »Weshalb?«
    Sie kam hinter dem Verkaufstisch hervor und stellte sich vor mich hin.
    »Ich muss gestehen, ich bin begeistert. Du solltest dich dem Schreiben widmen! Du hast sehr viel Fantasie …«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht.«
    »Weißt du, Dejan, die Männer haben mir auf verschiedene |58| Weise den Hof gemacht, aber noch keiner so einfallsreich wie du.«
    Ich starrte sie

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