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Das letzte Buch

Das letzte Buch

Titel: Das letzte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Zivkovic
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Hände, die nicht mit ihm verbunden waren,
     aber noch das Buch hielten, war schrecklicher als der Zerfall zuvor. Ich wollte schreien, doch noch immer war ich nicht Herr
     meiner Stimme.
    Endlich, als in dem Sessel nichts weiter geblieben war als das Buch, entrang sich mir der Schrei. Im selben Augenblick schien
     sich auch mein Körper aus der Starre zu lösen. Ich floh aus der Bibliothek, doch was mich in dem ersten Raum erwartete, war
     nur eine Fortsetzung meines Albtraums.
    Am Tisch saßen nun anstelle der beiden Herren zuvor zwei Schachfiguren. Der weiße König hatte das karierte Sakko umgehängt,
     während der schwarze einen dunkelroten Blazer trug. Die Figuren verbeugten sich vor mir, die weiße nur kurz, die schwarze
     tief.
    Vom Waschbecken her kam ein Kichern. Ich hob den Blick, als die Frau sich umdrehte. Aber ich sah ihr Gesicht nicht. Dort,
     wo es hätte sein müssen, war eine glatte Hautfläche, von der Wasser herablief, so als sei das Gesicht weggespült von dem irrsinnigen
     Waschen.
    Ich schrie noch einmal auf und jagte zur Tür. Als sich zeigte, dass sie sich nicht öffnen ließ, schnürte mir eiskalte Panik
     die Brust ab. Während sich das Lachen hinter meinem Rücken verstärkte, riss ich wie besessen am Türknauf, bis mir endlich
     einfiel, was zu tun war.
    Wahrscheinlich hätte es ausgereicht, wenn ich nur geklopft hätte, doch völlig verstört, donnerte ich mit geballten Fäusten
     dagegen. Im selben Moment öffnete sich die Tür. Wie von einer Feder weggeschnellt, sprang ich hinaus, jagte schreiend den
     Korridor entlang und wagte nicht nachzusehen, was hinter mir geschah.

|86| 14.
    In den Ohren gellte mir noch mein Schrei aus dem Schlaf, als ich die Augen weit aufriss und im Bett hochfuhr. Im selben Augenblick
     wusste ich, dass etwas nicht in Ordnung war, aber es vergingen einige schreckliche Augenblicke, ehe ich begriff, worum es
     sich handelte. Ich musste den Kopf schütteln, um den Traum zu vertreiben, der noch am Rand meines Bewusstseins herumspukte.
     Ich war nicht in meinem eigenen Schlafzimmer.
    Als sich eine Hand auf meine Schulter legte, zuckte ich zusammen.
    »Du hast etwas geträumt«, sagte Vera sanft.
    Ich drehte mich um und starrte sie an, doch in der Dunkelheit konnte ich nur die Umrisse ihres erhobenen Kopfs erkennen. Zum
     Glück konnte auch sie mich nicht besser sehen, sonst hätte mein Gesichtsausdruck sie bestimmt erschreckt. Langsam ließ ich
     meinen Kopf zurück aufs Kissen sinken.
    Sie streichelte mir die Wange.
    »War es schlimm?«
    »Ich erinnere mich nicht, wann ich zum letzten Mal so etwas Schlimmes geträumt habe!«
    »Vielleicht sagt dir mein Schlafzimmer nicht zu.«
    Ich strich ihr übers Haar.
    »Es ist viel schöner als meines.«
    »Das müssen wir erst noch feststellen. Soll ich Licht anmachen?«
    |87| »Ein Polizist fürchtet sich doch nicht im Dunkeln!«
    »Polizisten, die sich vor nichts fürchten, haben mir noch nie gefallen.«
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich mich vor nichts fürchte.«
    »Gut. Wovor fürchtet sich denn der unerschrockene Herr Kommissar?«
    »Vor Dunkelheit.«
    Sie kicherte und stupste mich sanft in den Bauch. Dann drückte sie sich an mich. Ich schlang meinen rechten Arm um sie.
    »Ich träume auch manchmal schlecht. Weißt du, was dann das Schlimmste ist?«
    »Na, was?«
    »Wenn man aufwacht, und niemand ist im Zimmer, nur man selbst.«
    Ich wandte den Kopf und küsste sie auf die Schläfe.
    »Jetzt ist jemand da. Du kannst beruhigt schlecht träumen«, erwiderte sie und kitzelte mich in der Magengegend.
    »Was hast du geträumt?«
    »Etwas Verrücktes. Du weißt doch, wie Albträume sind.«
    »Meine haben immer eine Bedeutung. Aber ich finde nie heraus, welche.«
    »Ich dachte, so etwas gibt es nur in der Literatur.«
    Wieder lachte sie.
    »Hast du nicht gesagt, das alles käme dir vor, als hättest du es schon irgendwo gelesen?«
    Ich schob meine Hand ein wenig tiefer und kitzelte sie meinerseits in der Taille. Sie quiekte auf, wand sich heraus und warf
     ein Bein über mich.
    »Genau. Ich habe gelesen, die Hauptfigur ist sehr kitzlig. Wollen wir das auch an anderen Stellen überprüfen?«
    Eifrig schüttelte sie den Kopf, der auf meiner Schulter lag.
    »Nicht nötig, nicht nötig!«
    In der Stille und dem Dunkel, die uns deutlicher als alles |88| andere umgaben, spürte ich den Duft von Veras Haut. Sanft, moschusartig, betörend.
    Ich beugte den Kopf und küsste sie auf den Scheitel, der mir in diesem Augenblick am

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