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Das letzte Buch

Das letzte Buch

Titel: Das letzte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Zivkovic
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nächsten war.
    »Ich weiß nicht, ob das, was ich geträumt habe, eine Bedeutung hat, aber es hat mich auf eine Idee gebracht. Erinnerst du
     dich an den ersten Todesfall in der Buchhandlung?«
    »Wie könnte ich ihn vergessen? Herr Todorović.«
    »Ja. Hast du dir vielleicht gemerkt, welches Buch er gelesen hat, als er starb?«
    Sie antwortete nicht sofort. Schließlich spürte ich an der Schulter, dass sie den Kopf schüttelte.
    »Ich fürchte, nein. Ich war zu verwirrt.«
    »Natürlich. Aber weißt du, was mit dem Buch geschehen ist, nachdem die Sanitäter den Leichnam des Alten weggetragen hatten?«
    »Wahrscheinlich habe ich es wieder ins Regal getan. Was sollte ich sonst damit tun?«
    »Ja, das ist offenbar das Normalste. Aber du erinnerst dich nicht?«
    Sie legte ihren Kopf von meiner Schulter aufs Kopfkissen.
    »Leider nein. Warum ist es wichtig, mit welchem Buch Herr Todorović gestorben ist?«
    »Wahrscheinlich ist es überhaupt nicht wichtig. Ich wollte nur etwas nachprüfen. Und wie steht es bei dem zweiten Fall?«
    »Du meinst, welches Buch diese Frau gelesen hat?«
    »Frau Mitić, ja.«
    »Das müsste eher Olga wissen. Obwohl ich bezweifle, dass sie unter den gegebenen Umständen darauf geachtet hat. Sie gerät
     noch schneller in Panik als ich.«
    »Aber du hast es nicht ins Regal zurückgelegt?«
    »Ich glaube nicht. Eigentlich bin ich sicher.«
    »Am schwierigsten wird es, festzustellen, was der unglückliche |89| junge Mann gelesen hat. Das Buch, das er in den Händen hatte, geriet unter die, die er zu Boden gerissen hat.«
    »Aber warum versuchst du das überhaupt zu ermitteln? Hast du einen Verdacht?«
    »Nein, nein. Mir fiel nur ein, dass es einen Zusammenhang geben könnte zwischen den drei Todesfällen.«
    »Ein Buch?«
    »Ja. Dasselbe
letzte Buch

    Vera zog ihr Bein zurück und rückte im Bett ein wenig ab.
    »Aber warum wäre das wichtig? Selbst wenn sie alle dasselbe
letzte Buch
gelesen haben, sind die Leute eines natürlichen Todes gestorben.« Sie hielt ein wenig inne. »Oder nicht?«
    »Doch. Keines der Bücher steht in Beziehung zu ihrem Sterben.«
    »Warum betrachtest du dann die ganze Sache nicht als abgeschlossen? Warum suchst du nach Fäden, die die drei Unglücksfälle
     miteinander verbinden?«
    »Ich suche nicht. Ich hätte überhaupt nicht daran gedacht, wenn nicht der schreckliche Traum gewesen wäre.«
    Wir verbrachten eine Weile in Schweigen. Schließlich drückte sich Vera wieder an mich.
    »Na, dann müssen wir uns bemühen, dass du in Zukunft nur etwas Schönes träumst.«

|90| 15.
    Lange konnte ich nicht einschlafen, während Vera bald wieder in Schlaf sank. Wäre ich allein gewesen, dann hätte ich mich
     im Bett gewälzt, doch ich musste ruhig liegen, um sie nicht zu wecken. Draußen dämmerte es bereits, als ihr gleichmäßiges
     Atmen und ihre Wärme auch mich endlich einschlafen ließen.
    Ein Kuss auf die Stirn weckte mich. Ich muss sie so erschrocken angeschaut haben, dass sie lachte.
    »Ich bin’s nur.«
    Ich rieb mir die Augen.
    »Guten Morgen.«
    »Der Morgen ist schon längst vorbei.«
    »Wie spät ist es?«
    »Zehn nach elf.«
    Im selben Moment war ich hellwach.
    »So spät?!«
    »Na und? Es ist Sonntag. Dürfen Kriminalkommissare nicht wenigstens sonntags länger schlafen?«
    »Das Leben zeigt selten Einsicht gegenüber Polizisten.«
    »Da haben wir jetzt Gelegenheit, diese Ungerechtigkeit ein wenig auszugleichen.«
    Sie nahm ein Tablett vom Nachttisch an meinem Kopfende, wartete, bis ich mich aufgerichtet hatte, stellte es auf meinem Schoß
     ab und setzte sich zu mir auf die Bettkante. Als sie für einen Moment den Deckel von der Teekanne hob, |91| mischte sich der Duft des warmen Getränks mit dem nach frischem Zwieback. Sie deckte die Kanne wieder ab, füllte mir die Tasse
     und legte das Gebäck dazu.
    »Dann habe ich mich doch nicht getäuscht«, sagte ich.
    »Getäuscht?«
    »Das war tatsächlich eine Einladung zum Tee. Ich hatte schon gefürchtet, er hätte nur als Ausrede gedient.«
    Sie sah mich mit zusammengekniffenen Augen an, dann hob sie die Hand und streute mir irgendein grünliches Pulver auf den Kopf,
     das eigentlich in den Tee gehörte.
    Ich ergriff ihr Handgelenk, zog die Hand übers Tablett und küsste sie. Das alles musste sanft geschehen, damit nichts umfiel
     oder verschüttet wurde von dem, was auf meinem Schoß stand.
    »Es ist schon sehr lange her, dass mir jemand das Frühstück ans Bett gebracht hat.«
    Sie lächelte, und

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