Das letzte Buch
Sie sie nicht dingfest gemacht, als sie in der Buchhandlung waren?«
»Weil ich wollte, dass sie das Buch dalassen. Es ist im Augenblick wichtiger als sie.«
»Sie hätten sowohl die Leute als auch das Buch in der Hand gehabt.«
»Vielleicht. Aber vielleicht auch nicht. Unterschätzen Sie sie nicht! Bestimmt waren sie auf die Möglichkeit vorbereitet,
dass wir zugreifen, solange sie da sind. Wir haben es mit einem ernsthaften Gegner zu tun!«
»Und was nun? Das Buch ist hier, aber wir wissen nicht, wo es ist. Warum kommen Sie nicht mit der ganzen Equipe her und suchen
es?«
»Es ist richtiger, wir suchen hier danach. Wir vergleichen die Aufnahmen von den Regalen vor ihrer Ankunft mit dem derzeitigen
Stand. Aber deshalb können Sie es trotzdem an Ort und Stelle suchen, wenn Sie schon einmal da sind. Sie sind übrigens der
Einzige, der es gesehen hat. Sie wissen, wie es aussieht.«
»Ich weiß, wie es gestern Abend ausgesehen hat. Aber vielleicht ist es nicht mehr dasselbe. Es könnte zum Beispiel keinen
blauen Einband mehr haben. Wenn sie tatsächlich so geschickt sind, dann hätten sie sich darum kümmern können. Wahrscheinlich
haben sie das auch getan.«
»Das ist nicht ausgeschlossen, aber trotzdem lohnt ein Versuch. Wir müssen alles unternehmen, dass es nicht zuerst in die
Hände eines unschuldigen Kunden gerät.«
»Würden Sie nicht die Kunden am besten dadurch schützen, dass Sie die Buchhandlung zeitweilig schließen und alle Bücher von
hier entfernen?«
Reuig lächelte ich Vera zu, die mich verwirrt und vorwurfsvoll ansah.
|178| »Damit würde man nichts erreichen. Wenn das Geschäft wieder geöffnet wäre, dann würden sie das
letzte Buch
wieder hinbringen. Warum sollte es davon nur ein Exemplar geben? Wir haben eigentlich auch Glück, dass sie sich aus irgendeinem
Grund bisher nur an diese Buchhandlung halten. Es wäre schlimm für uns, wenn sich die Sache auch auf andere Geschäfte ausweitete.«
Ich schwieg einen Moment.
»Gut, ich werde es suchen.«
»Sehr gut. Ich möchte sagen, unsere Zusammenarbeit verbessert sich.«
Wieder sah ich zu den oberen Ecken des Raumes hin und schüttelte den Kopf. Ich unterbrach die Verbindung, steckte das Handy
wieder in die Tasche und wandte mich zu Vera um.
»Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn ich dableibe und dir Gesellschaft leiste.«
Der soeben noch finstere Ausdruck auf dem sommersprossigen Gesicht verwandelte sich in ein strahlendes Lächeln.
|179| 32.
Ich hängte den Mantel an den Garderobenständer und begann langsam die Regale durchzusehen. Vera stand am Verkaufstisch und
arbeitete am Computer neben der Kasse. Wenn sich unsere Blicke bisweilen trafen, lächelten wir uns zu. Mir war klar, dass
sie mit mir reden wollte, doch sie hielt sich zurück, denn jedes unserer Worte würden auch andere Ohren hören. Nach einer
Weile, als sie wohl festgestellt hatte, dass ihr die Stille, die uns umgab, nicht gut bekam, schaltete sie leise Musik ein.
Bald war mir klar, dass die Aussicht, etwas zu finden, sehr gering war. Wäre ein neues Buch ins Regal gestellt worden, so
hätten es die Leute von Hauptkommissar Milenković, die die Aufnahmen vor und nach dem Besuch der Anhänger des
letzten Buches
verglichen, bereits gefunden. Aber da die Sektenbrüder wussten, dass sie genau beobachtet wurden, waren sie bestimmt nicht
so naiv, ein Buch abzulegen, das vorher nicht hier gewesen war und dessen Aussehen ich zudem noch kannte.
Wahrscheinlich waren sie schlau gewesen und hatten das
letzte Buch
in den Einband eines anderen gesteckt, von dem sie im Voraus festgestellt hatten, dass es sich hier befand. Dann war das harmlose
Buch herausgezogen und an dessen Stelle unbemerkt das gefährliche eingestellt worden. Das konnte nun eines der Tausenden von
Büchern in der Buchhandlung sein. Na gut, vielleicht nicht irgendeins. Ich konnte |180| jene Bände außer Acht lassen, die von dem Format des
letzten Buches
abwichen. Allerdings besaß leider die Mehrzahl der Bücher in der Buchhandlung ausgerechnet das normale Format für Prosaausgaben.
Zum
letzten Buch
konnte man nur durch eine systematische Durchsicht gelangen. Man musste jedes Buch des am häufigsten vertretenen Formats prüfen,
doch das konnte einer allein nicht schaffen. Damit würden sich Mitarbeiter des Amts für Nationale Sicherheit befassen müssen,
die überdies auch besser geschützt waren als ich. Das
letzte Buch
war vielleicht nicht vergiftet, aber dennoch
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