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Das letzte Buch

Das letzte Buch

Titel: Das letzte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Zivkovic
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Sinn.«
    »Selbst wenn es so wäre, für mich ist er unergründlich.«
    »Ich erkenne ihn meistens. Aber der letzte Traum hat mich völlig durcheinandergebracht. Sie müssen ihn sich anhören. Er betrifft
     auch Sie.«
    »Mich?«
    »Ich habe heute Nacht von Ihnen geträumt.«
    »Tatsächlich?«, fragte ich – was sollte ich sonst sagen?
    »Ja. Aber es ist mir unangenehm, darüber zu sprechen.«
    »Weshalb?«
    Sie senkte den Blick.
    »Im Traum habe ich Sie gemalt.«
    »Und was ist daran unangenehm?«
    »Ihr Akt.«
    Nun senkte ich ebenfalls die Augen.
    »Mein Akt?«, wiederholte ich, als hörte ich dieses Wort zum ersten Mal.
    »Auf einer großen Leinwand, in natürlicher Größe.«
    Eine Zeit lang war nur das Trommeln des Regens gegen die Fenster zu hören.
    |171| »Und – wie sah ich aus?« Ich bemühte mich, meine Stimme scherzhaft klingen zu lassen.
    »Sehr gut. Ganz echt.«
    »Habe ich Ihnen Modell gestanden?«
    Sie schüttelte rasch den Kopf.
    »Nein.«
    »Woher wissen Sie dann, dass ich ganz echt aussah, wenn Sie mich nicht unbekleidet gesehen haben?«
    Sie sah mich einen Augenblick verwirrt an und wandte dann den Blick wieder zur Seite.
    »Ich weiß es nicht, natürlich … Ich nehme es an … Aber das ist nicht wichtig. Mit dem Körper gab es keine Schwierigkeiten. Das Dilemma fing an, als der Kopf an der Reihe
     war.«
    »Spielt denn der Kopf bei einem Akt eine Rolle?«
    Sie hob die Augen.
    »Auf jeden Fall ist er wichtig. Ein Akt ohne Kopf ist … einfach obszön.«
    »Und was war nicht in Ordnung mit meinem Kopf?«
    »Er wollte nicht Ihr Kopf bleiben.«
    »Was heißt – wollte nicht bleiben?«
    »Ich habe Ihr Gesicht gezeichnet, aber als ich den letzten Strich getan hatte, da veränderte es sich.«
    »Und ich war dann jemand anderes?«
    »Nein. Darin liegt ja auch das größte Problem!«
    »Das ist mir nicht klar.«
    »Mir auch nicht. Sie waren es, aber wiederum auch nicht.«
    »Wie soll ich ich sein und wiederum nicht ich sein, selbst wenn es ein Traum ist?«
    »Sie sahen sich ähnlich, und doch waren Sie es nicht. So als würde auf dem Bild Ihr Zwillingsbruder erscheinen.«
    »Ich habe keinen Zwillingsbruder.«
    »Dann eben ein Doppelgänger. Jemand, der Ihnen sehr ähnlich sieht, sich aber durch irgendetwas unterscheidet.«
    »Wodurch?«
    |172| Sie zuckte die Schultern.
    »Ich könnte es nicht sagen. Es ist irgendwie nicht fassbar. Im ersten Moment war ich nicht ganz sicher, aber als Sie anfingen
     zu kichern, da wusste ich, das sind nicht Sie.«
    »Ich habe auf dem Bild gekichert?«
    »Ja. Beziehungsweise nicht Sie, sondern jener andere. Die Gestalt wurde lebendig, die Lippen verzogen sich, und ein unangenehmes
     Kichern erscholl. Mir standen die Haare zu Berge bei diesen schrecklichen Tönen. Ich wollte aufschreien und konnte nicht.
     Ich bin ganz verstört aufgewacht.«
    Wieder verbrachten wir eine Zeit lang damit, dem Regen zu lauschen.
    »Es tut mir leid, dass mein Akt Sie so beunruhigt hat.«
    Ihre Augen blitzten.
    »Nicht Ihr Akt hat mich beunruhigt, sondern Ihr dämonisches Lachen! Müssen Sie mich denn immer auslachen? Ich bin in der Hoffnung
     hergekommen, Sie könnten mir helfen, aber nicht, um verspottet zu werden.«
    »Entschuldigen Sie, Fräulein Bogdanović, ich habe meine Worte nicht sorgsam gewählt. Ich hatte keinesfalls die Absicht, Sie
     zu verspotten. Wie kann ich Ihnen helfen?«
    Sie schaute mich so lange an, bis das Blitzen in ihren Augen verschwand.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie schließlich. »Dieser Traum bedeutet bestimmt etwas, aber ich verstehe ihn nicht. Ich hatte gedacht,
     Sie könnten ihn mir erklären, weil Sie darin vorkommen.«
    »Träume zu deuten ist nicht mein Hobby. Außerdem, wie Sie auch selber sagten, hat Sie mein Doppelgänger beunruhigt, nicht
     ich.«
    »Was meinen Sie, wer könnte das sein?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Keine Ahnung. Ich bin meinem Doppelgänger noch nie begegnet.«
    |173| »Das heißt nicht, dass Sie keinen haben.«
    »Stimmt«, antwortete ich.
    »Hüten Sie sich vor ihm, wenn Sie ihm begegnen.«
    »Das werde ich tun. Danke für den Hinweis.«
    Fräulein Bogdanović schien noch etwas sagen zu wollen, doch dann überlegte sie es sich anders und erhob sich. Im selben Moment
     erschien Kollege Petronijević an der Tür.
    »Ich hoffe, ich störe nicht«, sagte er mit anzüglichem Lächeln.
    »Du störst nicht. Unser Gespräch ist gerade beendet. Ich begleite Sie hinaus, Fräulein Bogdanović.«
    Als wir auf den Fahrstuhl warteten, fiel

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