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Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen

Titel: Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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den verruchten Grafen zum Zweikampf zu fordern; es fällt schwer, kein Held mehr zu sein, wenn man sich einmal daran gewöhnt hat. Gefällt dir das erste Gedicht?«
    »Es steckt voller Gefühl«, antwortete sie. »Kann man wirklich ›Mythe‹ auf ›Tüte‹ reimen?«
    »Es muss noch ein wenig poliert werden«, räumte Prinz Lír ein. »Mirakel ist das Wort, das mir Schwierigkeiten macht.«
    »Ich habe mir schon über ›Tabernakel‹ den Kopf zerbrochen.«
    »Nein, ich rede von der Rechtschreibung. Schreibt man das mit einem r und zwei 1, oder gerade umgekehrt?«
    »Mit einem r, glaub ich«, meinte Molly. »Schmendrick« – denn der Zauberer trat gerade mit eingezogenem Kopf durch die Tür –, »wie viele r hat das Wort Mirakel?«
    »Zwei«, antwortete er müde. »Hat den gleichen Stamm wie ›Myrrhe‹.« Molly schöpfte ihm einen Napf voll Brühe, und er ließ sich seufzend am Tisch nieder. Seine Augen sahen hart und wolkig wie Jade aus, eines seiner Augenlider zuckte.
    »Ich halte das nicht mehr lange aus«, sagte er mühsam. »Es ist nicht dieser schreckliche Ort, und auch nicht, dass ich ihm die ganze Zeit zuhören muss – darin werde ich von Tag zu Tag besser –, nein, es ist dieser entsetzliche Taschenspielerhumbug, den ich ihm stundenlang vorführen muss. Gestern die ganze Nacht. Es würde mir nichts ausmachen, wenn er wirkliche Zauberei von mir verlangte, oder wenigstens einfache Beschwörungen, aber er will immer das Gleiche, die Ringe und die Goldfische, die Spielkarten und Halstücher und das Seil – genau wie in der Mitternachtsmenagerie. Ich kann nicht mehr. Nicht mehr lange.«
    »Aber dafür hat er dich doch angestellt!«, widersprach Molly. »Wenn er sich richtige Zauberei wünschte, hätte er den alten Zauberer behalten können, diesen Mabruk.« Schmendrick hob den Kopf und warf ihr einen Blick zu, der beinah belustigt wirkte. »Ich hab’s nicht so gemeint«, sagte Molly. »Überhaupt ist es ja nur noch für kurze Zeit, dann werden wir den Weg zum Roten Stier gefunden haben, von dem die Katze mir erzählt hat.«
    Sie dämpfte ihre Stimme zu einem Wispern, als sie die letzten Worte sagte; beide blickten verstohlen zu Prinz Lír hinüber, der auf einem Stuhl in der Ecke saß und offensichtlich an einem neuen Gedicht schrieb. »Gazelle«, murmelte er und klopfte mit der Feder gegen seine Zähne, »Demoiselle, Zitadelle, Asphodele, Philomele, Parallele…« Er entschied sich für ›Schattenseele‹ und kritzelte munter drauflos.
    »Wir werden diesen Weg nie finden«, flüsterte Schmendrick. »Selbst wenn die Katze die Wahrheit gesagt hat, was ich bezweifle, so wird Haggard dafür sorgen, dass wir keine Zeit finden, die Uhr und den Schädel zu untersuchen. Was denkst du, weshalb er dir jeden Tag mehr Arbeit auflädt? Doch nur, um dich davon abzuhalten, dass du in der großen Halle herumschleichst und spionierst. Was denkst du, weshalb er sich von mir mit diesem Mumpitz unterhalten lässt? Weshalb er mich überhaupt als Hofzauberer angestellt hat? Molly, er weiß es, ich bin mir ganz sicher. Er weiß, was sie ist, doch kann er es noch nicht glauben; aber wenn er das einmal tut, dann weiß er, was er zu tun hat. Er weiß es. Ich sehe es manchmal auf seinem Gesicht!«
    »O meiner Sehnsucht Schwellen, o meiner Liebe Fall«, rezitierte Prinz Lír, »o meines Schmerzes hm-ta-ta-all. Knall, Ball, Drall. Verflucht!«
    Schmendrick beugte sich über den Tisch. »Wir können nicht hier herumsitzen und warten, bis er losschlägt. Unsere einzige Hoffnung ist Flucht bei Nacht, und zwar übers Meer, wenn ich ein Boot auftreiben kann. Die Wächter werden in die andere Richtung sehen, und das Tor…«
    »Aber die anderen!«, jammerte sie. »Wie können wir fliehen, wenn sie von so weit hergekommen ist, um die anderen Einhörner zu finden, und wenn wir wissen, dass sie hier sind?« Doch ein kleiner, verborgener, verräterischer Teil von ihr war plötzlich allzu bereit, sich von der Vergeblichkeit ihrer Suche überzeugen zu lassen; sie spürte es und war deswegen zornig auf Schmendrick. »Und was wird dann aus deiner Magie, aus deiner eigenen kleinen Suche?«, fragt sie. »Willst du die auch aufgeben? Soll sie in ihrer menschlichen Gestalt sterben, während du in alle Ewigkeit fortlebst? Da könntest du sie gleich dem Stier übergeben!«
    Der Zauberer sank in seinen Stuhl zurück, sein Gesicht sah weiß aus und verschrumpelt wie die Finger einer Waschfrau. »So oder so, es kommt nicht mehr drauf an«, sagte er,

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