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Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen

Titel: Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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flüchtete. Molly spürte, dass König Haggard in der Nähe war.
    »Gib mir den Wein«, forderte der Schädel. »Ich habe meinen Teil der Abmachung gehalten.« Schweigend setzte Schmendrick das leere Fläschchen an den leeren Mund, der Schädel seufzte und gurgelte und schmatzte. »Ah«, rief er dann, »das war die richtige Sorte, das war Wein! Du bist ein besserer Zauberer, als ich gedacht hätte. Verstehst du mich, was die Zeit betrifft?«
    »Ja«, antwortete Schmendrick, »ich glaube.« Der Rote Stier wiederholte den seltsamen Ton und der Totenkopf schlug gegen die Säule. »Nein«, sagte Schmendrick, »ich verstehe es nicht. Gibt es denn keinen anderen Weg?«
    »Wie könnte es!« Molly hörte Schritte. Stille. Dann die dünne, vorsichtige Ebbe und Flut eines Atems. Sie konnte nicht sagen, von wo es kam. Schmendrick sah sie an, sein Gesicht schien vor Furcht und Verwirrung von innen heraus fleckig geworden zu sein, wie das Innere einer Lampe. Es war auch ein Licht darin zu sehen, doch es schwankte wie eine Laterne im Sturm.
    »Ich glaube, ich versteh’s«, sagte er, »aber ich bin mir alles andere als sicher. Ich will es versuchen.«
    »Ich denke immer noch, es ist eine gewöhnliche Uhr«, sagte Molly. »Aber das macht nichts. Ich kann auch durch eine richtige Uhr gehen.« Sie wollte ihn mit ihren Worten beruhigen, doch dann spürte sie in ihrem Körper eine Helle, denn sie erkannte, dass sie die Wahrheit gesagt hatte. »Ich weiß, wohin wir gehen müssen, und das ist mindestens so gut, wie die richtige Zeit zu wissen.«
    Der Schädel unterbrach sie. »Weil der Wein so gut war, will ich euch einen kostenlosen Rat mit auf den Weg geben.« Schmendrick blickte verlegen zu Boden. »Zerschlagt mich«, sagte der Schädel, »werft mich einfach auf den Boden, und ich werde in tausend Stücke zerspringen. Fragt nicht, warum, tut es einfach.« Er sprach sehr hastig, fast flüsternd.
    Molly und Schmendrick riefen gleichzeitig: »Wie? Warum denn?« Der Schädel wiederholte seine Aufforderung. Schmendrick rief: »Was redest du da? Warum in aller Welt sollten wir dich zerbrechen?«
    »Tut es!«, beharrte der Schädel. »Tut es schnell!« Das Atmen näherte sich von allen Seiten, aber sie hörten nur ein Paar Füße.
    »Nein«, sagte Schmendrick, »du bist übergeschnappt.« Er wandte sich ab und machte sich wieder auf den Weg zu der düsteren, hageren Uhr. Molly fasste die Lady Amalthea bei der kalten Hand und folgte ihm; sie zog das weiße Mädchen wie einen Papierdrachen hinter sich her.
    »Wie ihr wollt!«, sagte der Schädel traurig. »Ich habe euch gewarnt!« Und spornstreichs begann er mit einer entsetzlichen Stimme zu schreien, die klang wie Hagelschlag auf Eisen: »Hilfe! Zu Hilfe! Wachen herbei! Einbrecher sind hier, Banditen, Strauchdiebe, Entführer, Straßenräuber, Mörder, Rufmörder, Plagiatoren! König Haggard! Heho! König Haggard!«
    Jetzt hörten sie über ihren Köpfen und ringsum trappelnde Tritte und die röchelnden, pfeifenden Stimmen der alten Wächter. Keine Fackeln flammten auf, denn im gesamten Schloss durfte nur auf Haggards ausdrücklichen Befehl Licht gemacht werden, und noch schwieg Haggard. Die drei Diebe standen bestürzt und geschlagen da, starrten mit offenen Mündern den Totenkopf an.
    »Tut mir leid«, sagte er. »Ich bin eben so – verräterisch. Aber ich habe versucht…« Da erblickten seine erloschenen Augen die Lady Amalthea, und sie wurden wieder weit und hell, obgleich das gar nicht möglich war. »O nein«, sagte er sehr sanft, »nein, du nicht. Ich bin untreu, aber nicht so untreu!«
    »Lauft«, rief Schmendrick, so wie er vor langer Zeit der wilden, meerweißen Legende zugerufen, nachdem er sie befreit hatte. Gemeinsam rannten sie durch die große Halle, während die Wächter hereingepoltert kamen. »Einhorn! Einhorn!«, zeterte der Schädel. »Haggard! Haggard! Dort läuft es, zum Roten Stier hinunter! Pass auf die Uhr auf! Haggard, wo bist du? Einhorn, Einhorn!«
    Da durchschnitt die eiserne Stimme des Königs den Tumult. »Narr, Verräter! Du hast es ihnen gesagt!« Seine behenden, verstohlenen Schritte erklangen ganz nah, und Schmendrick machte sich schon zum Kampfe bereit. Doch dann hörten sie ein Grunzen und ein Krachen, ein scharrendes Fallen und darauf den knirschenden Aufprall alter Knochen auf altem Stein. Der Zauberer rannte weiter.
    Als sie vor der Uhr standen, gab es keine Zeit für Zweifel oder Zögern. Die Wachen liefen schon durch die Halle, ihre klirrenden

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