Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen
war, wenn er den Einhörnern im Meer zugesehen hatte. Für einen Augenblick war er wieder der junge Prinz, der gerne bei Molly in der Küche saß. »Sie hat mich angesehen, in meinem Traum hat sie mich angesehen, aber gesagt hat sie nichts.«
Er ritt ohne Abschied davon, und sie sahen ihm nach, bis die Hügel ihn verdeckten: ein aufrechter, trauriger Reiter, der nach Hause zog, um König zu sein. Nach einiger Zeit sagte Molly: »Ach, der arme Mann. Armer Lír.«
»Es ist ihm nicht so schlecht ergangen«, meinte der Zauberer. »Große Helden brauchen großes Leid und große Lasten, andernfalls bleibt die Hälfte ihrer Größe unbemerkt. Es gehört alles zum Märchen.« Aber in seiner Stimme lag ein kleiner Zweifel, und er legte sanft seinen Arm um Mollys Schultern. »Es ist gewiss kein Unglück, ein Einhorn geliebt zu haben. Im Gegenteil, es muss das höchste Glück sein, wenn der Preis dafür auch sehr hoch ist.«
Allmählich löste er sich von ihr, bis er sie nur noch mit den Fingerspitzen berührte; dann fragte er sie: »Sagst du mir jetzt, was das Einhorn zu dir gesagt hat?« Doch Molly Grue lachte nur und schüttelte den Kopf, bis ihr Haar sich löste und herabfiel und sie schöner war als die Lady Amalthea. Der Zauberer sagte: »Wie du willst. Dann werde ich das Einhorn suchen, und vielleicht wird es mir dein Geheimnis verraten.« Er drehte sich gelassen um und pfiff den beiden Rössern.
Sie sagte kein Wort, solange er sein Pferd sattelte, doch als er mit ihrem begann, legte sie ihre Hand auf seinen Arm. »Glaubst du, hoffst du wirklich, dass wir es finden können? Ich habe vergessen, ihm etwas zu sagen.«
Schmendrick sah sie über die Schulter hinweg an. Das Licht der Morgensonne ließ seine Augen funkeln wie Tautropfen im Gras. Doch hin und wieder, wenn er in den Schatten des Pferdes trat, regte sich in seinem Blick ein tieferes Grün, das Grün von Tannennadeln, das eine schwache, kühle Bitternis an sich hat. Er sagte: »Ich befürchte es – um seinetwillen. Das würde bedeuten, dass es nun auch rast- und ruhelos umherzieht, und das ist ein Schicksal für Menschen, nicht für Einhörner. Doch ich hoffe, ich bin voller Hoffnung.« Dann lächelte er Molly an und nahm ihre Hand in die seine. »Wie auch immer – da du und ich irgendeinen Weg einschlagen müssen, einen von den vielen, die schließlich doch alle an dasselbe Ziel führen, warum sollte es nicht der sein, den das Einhorn eingeschlagen hat? Mag sein, wir sehen es niemals wieder, aber wir werden immer wissen, wo es gewesen ist. Also komm, komm mit mir.«
So begannen sie ihre neue Wanderung, die sie mit der Zeit in die meisten Falten und Winkel der süßen, bösen, runzligen Welt führte und auch wieder hinaus, bis sie endlich ihre eigene seltsame und wundervolle Bestimmung erreichten. Doch das alles geschah erst viel später; jetzt jedoch, keine zehn Minuten außerhalb des Reiches von König Lír, kam ihnen eine Jungfrau entgegengelaufen. Ihr Kleid war zerrissen und besudelt, doch Stoff und Schnitt verrieten die Herkunft, und obwohl ihr Haar aufgelöst und voller Kletten war, ihre Arme verkratzt und ihr schönes Gesicht arg verschmiert, konnte man sie für gar nichts anderes halten als für eine Prinzessin in großer Bedrängnis. Schmendrick stieg ab, um ihr zu Hilfe zu kommen, und sie umklammerte ihn mit beiden Händen, als wäre er eine Pampelmusenschale.
»Zu Hilfe!«, flehte sie ihn an. »Zu Hilfe! Au secours! Wenn du ein Mann mit Mut und Mitleid bist, so säume nicht und eile mir zu Hilfe! Ich bin die Prinzessin Alison Jocelyn, Tochter des guten König Giles, der meuchlerisch von seinem Bruder ward gemordet, dem blutigen Herzog Wulf, welcher meine drei Brüder, die Prinzen Corin, Colin und Calvin, gefangengenommen und in ein grausames Gefängnis geworfen hat, als Geiseln, damit ich seinen fetten Sohn heirate, Lord Dudley, doch ich habe die Wächter bestochen und den Hunden etwas ins Futter getan…«
Da hob Schmendrick der Zauberer die Hand, und sie verstummte, starrte ihn an aus weiten, fliederblauen Augen. »Vielschöne Prinzessin«, sprach er mit ernster Miene, »dein Retter ist soeben dorthin geritten«, und wies auf das Land, das sie gerade verlassen hatten. »Nimm mein Pferd, und du wirst ihn einholen, solange dein Schatten noch hinter dir ist.«
Er machte mit seinen Händen einen Steigbügel für die Prinzessin Alison Jocelyn, und sie stieg mühsam und in einiger Verwirrung in den Sattel. Schmendrick drehte das Pferd herum und
Weitere Kostenlose Bücher