Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen
und Jack Jingly. Gemeinsam ergriffen sie das Handwerk des fahrenden Sängers und es wird berichtet, dass sie in der Provinz eine gewisse Berühmtheit erlangten.
Eines Nachts hatten die drei ihr Lager im hohen Gras an der entlegensten Grenze von König Lírs Reich aufgeschlagen. Der König wollte ihnen am nächsten Morgen den Abschied entbieten und nach Hagsgate zurückkehren. »Ich werde einsam sein«, sagte er in der Dunkelheit. »Ich ginge lieber mit euch und wäre nicht König.«
»Oh, mit der Zeit wirst du Gefallen daran finden«, meinte Schmendrick. »Die besten jungen Männer aus den Dörfern und Städten werden an deinen Hof kommen, und du wirst sie lehren, Ritter und Helden zu werden. Die weisesten Minister werden dir raten, und die besten Musikanten, Gaukler und Märchenerzähler werden herbeieilen und deine Gunst suchen. Und zur rechten Zeit kommt dann eine Prinzessin – entweder auf der Flucht vor ihrem unaussprechlich bösen Vater und ihren Brüdern oder auf der Suche nach Gerechtigkeit für sie. Vielleicht wird man dir von ihr berichten, wie sie in einer Festung aus Granit und Feuerstein schmachtet, nur in Gesellschaft einer mitleidigen Spinne…«
»Das alles kann mir gestohlen bleiben«, sagte König Lír. Er schwieg so lange, dass Schmendrick schon dachte, er sei eingeschlafen. Doch dann seufzte er: »Ach, könnte ich sie nur noch ein einziges Mal wiedersehen, ihr alles sagen, was mein Herz erfüllt. Nie wird sie wissen, was ich wirklich sagen wollte! Du hast versprochen, ich würde sie sehen.«
Der Zauberer antwortete ihm unwirsch: »Ich habe nur versprochen, dass du einige Spuren von Einhörnern sehen würdest, und das hast du auch. Dein Reich ist weit über das hinaus gesegnet, was irgendein Land verdient, weil sie es in Freiheit durchzogen haben. Was dich betrifft und dein Herz und die Dinge, die du gesagt hast und nicht gesagt hast: Sie wird sich an alles noch erinnern, wenn die Menschen nur noch Märchen sein werden in Büchern, die von Karnickeln geschrieben werden. Denk daran und sei zufrieden!« Lír schwieg, und Schmendrick bereute seine Worte.
»Sie hat dich zwei Mal berührt«, sagte er nach einer Weile. »Die erste Berührung sollte dich wieder zum Leben erwecken, doch die zweite galt dir.« Lír gab keine Antwort, und der Zauberer sollte nie erfahren, ob er ihn gehört hatte oder nicht.
Schmendrick träumte, das Einhorn käme und stünde im Licht des aufgehenden Mondes bei ihm. Der schwache Nachtwind hob und verwehte seine Mähne, und der Mond beschien seinen kleinen Kopf: ein aus Schneekristallen getriebenes Kunstwerk. Er wusste, dass es ein Traum war, dennoch war er glücklich, es zu sehen. »Wie schön du bist!«, rief er. »Ich habe es dir nie gesagt.« Er wollte sich erheben, um die anderen zu wecken, doch die Augen des Einhorns sangen ihm eine Warnung zu, die so deutlich war wie zwei ängstliche Vögel; und er wusste, dass bei der geringsten Bewegung er selbst erwachen und das Einhorn verschwinden würde. Deshalb sagte er nur: »Ich glaube, sie lieben dich mehr als ich, obwohl ich mir wirklich Mühe gebe.«
»Darum«, sagte das Einhorn, und er wusste nicht, worauf es antwortete. Er lag, ohne sich zu rühren, hoffte, sich beim Erwachen noch genau an die Form seiner Ohren erinnern zu können. Das Einhorn sagte: »Du bist jetzt ein wirklicher und sterblicher Zauberer, wie du es dir immer gewünscht hast. Macht es dich glücklich?«
»Ja«, sagte er mit leisem Lachen. »Ich bin nicht wie der arme Haggard, der seines Herzens Verlangen verlor, weil er es besitzen wollte. Doch gibt es solche und solche Zauberer, schwarze Magie und weiße Magie, und die unendlich vielen Schattierungen dazwischen. Und ich weiß jetzt, dass sie alle denselben Ursprung haben. Ob ich mich entscheide, das zu sein, was die Menschen einen guten und weisen Zauberer nennen, einer, der Helden hilft, der Hexen, verruchten Königen und unvernünftigen Eltern das Handwerk legt, der Regen macht, Keuchhusten und Drehkrankheit kuriert und Katzen von den Bäumen holt – oder ob ich mich für die Retorten entscheide, für Elixiere und Essenzen, für die Pülverchen und Kräuter, Salben und Säfte, die tödlichen Gifte und dreifach verschlossenen Hexenfolianten, in Häute gebunden, deren Herkunft besser ungenannt bleibt, für die in finsterer Kammer gelb sich zusammenziehenden Nebel und die süß darin lispelnden Stimmen: Das Leben ist kurz, und wie vielen kann ich helfen oder schaden? Ich habe endlich meine Macht,
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