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Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen

Titel: Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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er vergisst es immer – und musste dran denken, wie sie sie am Morgen alle ticken hören würden, wenn sie nach mir suchten und vor lauter Angst das Frühstücken vergaßen, und ich machte schon kehrt, um wieder in mein Zimmer zu gehen.
    Aber dann drehte ich wieder um und kletterte aus dem Küchenfenster, weil unsere Haustür so quietscht. Ich hatte Angst, dass Malka in der Scheune aufwachen und sofort wissen würde, was los war, denn Malka kann ich nie was vormachen, aber sie wachte nicht auf, und ich hielt fast den ganzen Weg die Luft an, als ich zu Onkel Ambroses Haus rannte und schnell auf seinen Wagen mit den Schaffellen kletterte. Es war eine kalte Nacht, aber unter dem Haufen Schaffelle war es heiß und stinkig, und ich konnte nichts tun als dazuliegen und auf Onkel Ambrose zu warten. Also dachte ich vor allem an Felicitas, damit ich nicht so ein scheußlich schlechtes Gewissen hatte, weil ich einfach von zu Hause und von allen wegging. An Felicitas zu denken war schlimm genug – ich hatte noch nie jemanden, den ich gern hatte, verloren, nicht für immer –, aber es war wenigstens anders.
    Wann Onkel Ambrose schließlich kam, weiß ich nicht, weil ich auf dem Wagen einschlief und erst wieder aufwachte, als da so ein Rucken und Knarren war und dieses schlabbrige Schnauben, das ein Pferd von sich gibt, wenn es geweckt wird und ihm das gar nicht passt – und schon waren wir auf dem Weg nach Hagsgate. Der Halbmond sank schon früh wieder, aber ich konnte das Dorf vorbeiholpern sehen, nicht silbrig in dem Licht, sondern unscheinbar und stumpf, keine Farbe, nirgends. Und trotzdem kamen mir fast die Tränen, weil es schon so weit weg schien, obwohl wir noch nicht mal am Viehteich vorbei waren und ich das Gefühl hatte, ich würde es nie wiedersehen. Ich wäre auf der Stelle aus dem Wagen geklettert, wenn ich nicht gewusst hätte, dass das nicht ging.
    Weil der Greif immer noch wach und auf der Jagd war. Sehen konnte ich ihn natürlich nicht, unter den ganzen Schaffellen (außerdem hatte ich die Augen sowieso zu), aber seine Flügel machten ein Geräusch, als ob ganz viele Messer auf einmal geschärft würden, und manchmal stieß er einen Schrei aus, der schrecklich war, weil er so sanft und gedämpft klang und fast schon ein bisschen traurig und ängstlich, als ob der Greif den Laut nachmachte, den Felicitas von sich gegeben hatte, als er sie holte. Ich verkroch mich, so tief ich konnte, und versuchte wieder einzuschlafen, schaffte es aber nicht.
    Was auch gut war, weil ich nicht bis nach Hagsgate rein mitfahren wollte, wo mich Onkel Ambrose finden musste, wenn er auf dem Marktplatz seine Felle ablud. Also streckte ich, als ich den Greif nicht mehr hörte (sie jagen nie weit von ihrem Nest, wenn es nicht sein muss) den Kopf über die hintere Klappe des Wagens und sah zu, wie die Sterne einer nach dem anderen erloschen, als der Himmel immer heller wurde. Der Morgenwind setzte ein, als der Mond unterging.
    Als der Wagen nicht mehr so holperte und wackelte, wusste ich, dass wir auf die Straße des Königs eingebogen sein mussten, und als ich Kühe kauen und leise miteinander reden hörte, ließ ich mich vom Wagen fallen. Ich stand erst mal nur da, wischte mir Staubflusen und Wollbüschel von den Kleidern und schaute Onkel Ambroses Wagen hinterher, der immer weiter davonrollte. Ich war noch nie allein so weit von zu Hause weggewesen. Und noch nie so einsam. Vom Wind strich mir dürres Gras um die Knöchel, und ich hatte keine Ahnung, in welche Richtung ich gehen musste.
    Ich wusste nicht mal, wie der König hieß – ich hatte nie gehört, dass ihn jemand anders nannte als »der König«. Ich wusste, er wohnte nicht in Hagsgate selbst, sondern auf einem großen Schloss irgendwo in der Nähe, aber in der Nähe kann viel heißen, je nachdem, ob man mit einem Wagen fährt oder zu Fuß geht. Und ich musste immer wieder dran denken, dass meine Familie jetzt aufwachte und mich suchte, und von den Geräuschen, die die Kühe beim Weiden machten, kriegte ich Hunger, und meinen Käse hatte ich schon auf dem Wagen aufgegessen. Ich hätte so gern einen Penny dabeigehabt – nicht um was zu kaufen, nur um ihn in die Luft zu werfen und drüber entscheiden zu lassen, ob ich nach rechts oder nach links gehen sollte. Ich versuchte es mit flachen Steinchen, fand sie aber nicht wieder, wenn sie runtergefallen waren. Schließlich ging ich nach links, ohne bestimmten Grund, nur weil ich an der linken Hand einen kleinen silbernen Ring

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