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Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen

Titel: Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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aber die Welt ist immer noch zu schwer, als dass ich sie bewegen könnte – auch wenn mein Freund Lír anders darüber denken mag.« Und er lachte wieder im Traum, diesmal ein wenig traurig.
    Das Einhorn sagte: » Das ist wahr. Du bist ein Mensch, und Menschen vermögen nichts von Bedeutung.« Doch seine Stimme klang verhalten und bedrückt. »Für welche Magie hast du dich entschieden?«, fragte es.
    Da lachte der Zauberer zum dritten Mal. »Oh, es wird die gute Zauberei sein, ganz bestimmt, denn sie würde dir mehr Freude bereiten. Ich glaube nicht, dass wir uns jemals wiedersehen, aber ich werde versuchen, das zu tun, was dir gefiele. Und du, wo wirst du für den Rest meines Lebens sein? Ich dachte, du seiest schon in deinen Wald heimgekehrt.«
    Das Einhorn bewegte sich, und der jähe Sternenglanz seiner Schultern ließ all sein Gerede über Zauberei wie Sand in der Kehle schmecken. Motten und Mücken und andere Nachtinsekten, zu klein, um einen Namen zu tragen, umtanzten spielerisch sein helles Horn. Das Einhorn sah darob nicht lächerlich aus, sondern die meisten der Geflügelten sahen dieser Huldigung wegen weise und lieblich aus. Mollys Katze strich um seine Vorderbeine.
    »Die anderen sind in ihre alten Wälder zurückgekehrt«, sagte das Einhorn. »Jedes für sich; und die Menschen werden werden sie nicht viel leichter zu Gesicht bekommen, als wenn sie noch im Meer wären. Auch ich werde in meinen Wald zurückkehren, aber ich weiß nicht, ob ich dort oder irgendwo zufrieden leben werde. Ich bin sterblich gewesen, und ein Teil von mir ist es noch. Ich bin voller Tränen und Sehnsucht und Todesangst, doch ich kann nicht weinen; ich begehre nichts, und ich kann nicht sterben. Ich bin nicht mehr wie die anderen, denn keinem Einhorn war es je beschieden, zu bedauern. Aber ich tue es, ich bedauere.«
    Schmendrick verbarg wie ein Kind sein Gesicht, obwohl er ein mächtiger Magier war. »Es tut mir leid, es tut mir leid«, murmelte er in seine Hände. »Ich habe dir Böses getan, so wie Nikos es dem anderen Einhorn antat – in der gleichen guten Absicht, und wie er ohne die Möglichkeit, es ungeschehen zu machen. Mammy Fortuna und König Haggard und der Rote Stier, alle drei haben besser an dir gehandelt als ich.«
    Doch das Einhorn antwortete ihm sanft: »Meine Gefährten sind wieder in der Welt. Kein Leid wird so lange in mir sein wie diese Freude – außer einem, und auch für dieses danke ich dir. Leb wohl, guter Zauberer. Ich will versuchen, heimzugehen.«
    Lautlos verließ es ihn, aber er erwachte dennoch. Mollys Katze mit dem verkrümmten Ohr miaute verlassen. Als er nach König Lír und Molly Grue sah, erzitterte auf ihren offenen Augen das Mondlicht. Bis zum Morgen lagen alle drei wach, doch keiner sprach ein Wort.
    Bei Tagesanbruch erhob sich Lír und sattelte sein Pferd. Bevor er aufsaß, sagte er: »Ich wünschte, ihr würdet mich eines Tages besuchen.« Sie versprachen es ihm, doch zögerte er immer noch, wickelte sich unschlüssig die Zügel um die Finger.
    »Ich habe heute Nacht von ihr geträumt«, sagte er.
    Molly rief: »Ich auch!«, und Schmendrick öffnete seinen Mund und schloss ihn dann wieder.
    König Lír sagte heiser: »Bei unserer Freundschaft, ich bitt euch, was hat sie zu euch gesagt?« Seine Hände packten je eine Hand der Beiden, sein Griff war kalt und schmerzhaft.
    Schmendrick lächelte schwach. »Mein Gebieter, ich kann mich nur selten an meine Träume erinnern. Ich glaube, wir redeten feierlich über törichte Dinge, wie man eben so redet, ernsten Unsinn, leer und flüchtig…« Der König ließ seine Hand fahren, richtete seinen wirren und wilden Blick auf Molly Grue.
    »Ich werde es dir nie und nimmer sagen«, rief sie ein wenig ängstlich, und errötete dabei seltsam. »Ich erinnere mich, aber ich werde es niemals einem Menschen sagen, und wenn ich deshalb sterben müsste; nicht einmal dir, mein Gebieter.« Sie sah bei ihren Worten nicht König Lír, sondern Schmendrick an.
    Lír ließ auch ihre Hand fallen und sprang so ungestüm in den Sattel, dass sein Pferd sich quer über die aufgehende Sonne bäumte und röhrte wie ein Hirsch. Doch König Lír blieb im Sattel, starrte so finster und grimmig auf die beiden herab, als wäre er schon so lange König gewesen wie Haggard vor ihm.
    »Nichts hat sie zu mir gesagt«, flüsterte er. »Versteht ihr? Sie hat nichts, gar nichts zu mir gesagt.«
    Dann wurde sein Gesicht weich, so wie seines Vaters Gesicht ein wenig sanfter geworden

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