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Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen

Titel: Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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Limonen oder sowas. Vielleicht wie das Meer, aber das habe ich noch nie gesehen, deshalb weiß ich’s nicht. Wenn man tief genug in den Wald reingeht (nicht in den Midwood natürlich, aber in jeden anderen Wald), kommt man früher oder später wohin, wo selbst die Schatten grün sind, und so waren seine Augen. Zuerst machten sie mir Angst.
    Die Frau gab mir einen Pfirsich und sah zu, wie ich reinbiss, zu hungrig, um danke zu sagen. Sie fragte mich: »Was machst du hier, Mädchen? Hast du dich verirrt?«
    »Nein, hab ich nicht«, murmelte ich mit vollem Mund. »Ich weiß nur nicht, wo ich bin, das ist was anderes.« Sie lachten beide, aber es war kein gemeines Lachen, kein Auslachen. Ich erklärte ihnen: »Ich heiße Sooz, und ich muss zum König. Er wohnt doch hier irgendwo in der Nähe, oder?«
    Sie guckten sich an. Ich konnte ihnen nicht ansehen, was sie dachten, aber der große Mann hob die Augenbrauen, und die Frau schüttelte leicht den Kopf. Sie sahen sich eine ganze Weile an, bis die Frau dann sagte: »Nun ja, in der Nähe nicht gerade, aber auch nicht so weit weg. Wir sind selbst auf dem Weg zu ihm.«
    »Gut«, sagte ich. »Oh, gut.« Ich versuchte zu reden, als wäre ich so erwachsen wie sie, aber das war schwer, weil ich so froh darüber war, dass sie mich zum König bringen konnten. Ich sagte: »Dann werde ich mit euch gehen.«
    Die Frau war schon dagegen, ehe ich die ersten Wörter draußen hatte. Sie sagte zu dem großen Mann: »Nein, das geht nicht. Wir wissen nicht, wie die Lage ist.« Sie schien traurig, dass es so war, aber entschieden. Sie sagte: »Mädchen, es ist nicht deinetwegen. Der König ist ein guter Mensch und ein alter Freund von uns, aber das ist lange her, und Könige verändern sich. Könige verändern sich noch mehr als andere Menschen.«
    »Ich muss aber zu ihm«, sagte ich. »Dann reitet eben ohne mich weiter. Ich geh nicht nach Hause, bevor ich bei ihm gewesen bin.« Ich aß den letzten Rest Pfirsich, und der Mann gab mir ein Stück Dörrfisch und lächelte die Frau an, als ich mich drüber hermachte. Er sagte leise zu ihr: »Wir dürften uns doch beide dran erinnern, wie es ist, unbedingt auf eine Fahrt mitzuwollen. Ich kann nur für mich sprechen, aber ich habe gebettelt und gefleht.«
    Doch die Frau gab nicht nach. »Wir könnten sie in große Gefahr bringen. Das Risiko kannst du nicht eingehen, es wäre nicht recht!«
    Er setzte an, ihr zu antworten, aber ich platzte dazwischen – meine Mutter hätte mich geohrfeigt, dass ich durch die halbe Küche geflogen wäre. Ich schrie sie beide an: »Ich komme aus großer Gefahr. Im Midwood nistet ein Greif, und er hat Jehane gefressen und Louli und – und meine Felicitas – « Und jetzt fing ich wirklich an zu weinen, aber es war mir egal. Ich stand einfach nur da und schluchzte und heulte und ließ den Dörrfisch fallen. Ich versuchte ihn wieder aufzuheben, obwohl ich ihn vor lauter Tränen nicht sehen konnte, aber die Frau hielt mich fest und gab mir ihren Schal, damit ich mir die Augen trocknen und die Nase schnäuzen konnte. Er roch gut.
    »Kind«, sagte der große Mann immer wieder, »Kind, ereifre dich doch nicht so, das mit dem Greif wussten wir nicht.« Die Frau hielt mich im Arm, strich mir übers Haar und funkelte ihn an, als wäre es seine Schuld, dass ich so heulte. Sie sagte: »Natürlich nehmen wir dich mit, Liebes – ist ja gut, natürlich tun wir’s. Das ist was Schreckliches, ein Greif, aber der König wird wissen, was dagegen zu tun ist. Der König verspeist Greife zum Frühstück – schmiert sie auf Toast, mit Orangenmarmelade, und verputzt sie dann, ich versprech’s dir.« Und so fort, albernes Zeug, das mich aber tröstete, während der Mann immer noch vernünftig auf mich einredete, dass ich nicht weinen solle. Ich hörte schließlich auf zu weinen, als er ein großes rotes Taschentuch hervorzog, es zur Form eines Vogels schlang und knotete und davonfliegen ließ. Onkel Ambrose kann Tricks mit Münzen und Muschelschalen, aber sowas kann er nicht.
    Er hieß Schmendrick, was ich immer noch den komischsten Namen finde, den ich je gehört habe. Die Frau hieß Molly Grue. Wir brachen nicht gleich auf, wegen der Pferde, sondern schlugen da, wo wir waren, ein Nachtlager auf. Ich wartete drauf, dass der Mann, Schmendrick, es per Zauberkraft errichten würde, aber er machte nur Feuer, breitete ihre Decken aus und holte Wasser vom Bach wie jeder andere auch, während sie den Pferden die Vorderbeine mit Riemen fesselte

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