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Das letzte Einhorn

Das letzte Einhorn

Titel: Das letzte Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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eingeschlagen, und das ist gar nicht Hagsgate?« wisperte Molly. Sie zupfte und zerrte vergeblich an ihren Fetzen und Lumpen. »Ich hätte doch mein gutes Kleid mitnehmen sollen«, seufzte sie. Schmendrick rieb sich müde den Nacken. »Es ist Hagsgate«, antwortete er, »es muss Hagsgate sein, obgleich über dieser Stadt kein Geruch von Zauberei und Hexenwerk liegt. Woher stammen dann nur diese Märchen und Gespenstergeschichten? Sehr mysteriös, besonders, wenn man als Abendessen eine halbe Rübe gehabt hat!«
    Das Einhorn schwieg. Jenseits der Stadt schwankte König Haggards Schloss wie ein Wahnsinniger auf Stelzen hin und her. Und jenseits des Schlosses brandete das Meer. Der Dunst des Roten Stieres trieb durch die Nacht, mischte sich kalt unter die Küchen- und Wohngerüche der Stadt. Schmendrick sagte: »Die guten Leute sind wohl alle in ihren Häusern und zählen ihre Reichtümer. Ich will hingehen und sie begrüßen.«
    Er tat einen Schritt, warf seinen Mantel zurück, doch bevor er den Mund öffnen konnte, sagte eine harte Stimme aus dem Dunkel: »Schone deinen Atem, Fremder, solang du ihn noch hast.« Vier Männer sprangen hinter der Hecke hervor; zwei setzten Schmendrick ihre Schwerter auf die Kehle, einer hielt Molly mit einem Paar Pistolen in Schach, der vierte wollte das Einhorn bei der Mähne packen. Blitzend bäumte es sich auf, und er sprang beiseite.
    »Eure Namen!« sagte der Mann, der zuerst gesprochen hatte, zu Schmendrick. Er war wie die drei anderen, weder alt noch jung, seine Kleider waren reich und geschmacklos.
    »Gicks«, sagte der Zauberer, des Schwertes wegen. »Gicks?« rätselte der Mann mit den Pistolen. »Ein fremder Name.«
    »Klar«, sagte der erste Mann, »in Hagsgate klingen alle Namen fremd. Nun, Herr Gicks«, fuhr er fort und senkte sein Schwert ein wenig, bis es auf der Stelle ruhte, wo Schmendricks Schlüsselbeine zusammenkamen, »wenn Ihr und Frau Gicks so freundlich wärt, uns zu erzählen, aus welchem Grunde ihr hier herumschleicht …« Bei diesen Worten fand Schmendrick seine Stimme wieder. »Ich kenne diese Frau so gut wie nicht!« zeterte er. »Mein Name ist Schmendrick, Schmendrick der Zauberer, ich bin hungrig und müde und schlechter Laune. Steckt diese Dinger weg, oder ihr werdet einen Skorpion beim Stachel in der Hand halten!«
    Die vier Männer sahen einander an. »Ein Zauberer!« sagte der erste, »ein leibhaftiger Zauberer!«, Zwei der anderen nickten, aber der Mann, der das Einhorn zu fangen versucht hatte, brummte: »Heutzutage kann jeder behaupten, ein Zauberer zu sein. Die alten Maßstäbe gibt’s nicht mehr, die alten Werte sind verschwunden. Und im übrigen hat ein richtiger Zauberer einen Bart!«
    »Nun, wenn er kein Zauberer ist, dann wird er sich bald genug wünschen, einer zu sein«, sagte der erste leichthin. Er steckte sein Schwert in die Scheide und verbeugte sich vor Schmendrick und Molly. »Ich bin Drinn, und es ist wahrscheinlich ein Vergnügen, euch in Hagsgate willkommen zu heißen. Du hast von Hunger gesprochen, wenn ich mich recht entsinne. Dem kann leicht abgeholfen werden. Und hernach wirst du uns vielleicht in deiner beruflichen Eigenschaft einen guten Dienst erweisen. Folgt mir!«
    Plötzlich gütig und versöhnlich geworden, führte er sie zu einem hellerleuchteten Wirtshaus, die drei anderen Männer folgten dichtauf. Einwohner kamen herbeigerannt, strömten neugierig aus ihren Häusern hervor, ließen ihr Abendessen halbgegessen und ihren Tee dampfend zurück. Als Schmendrick und Molly Platz genommen hatten, drängten sich an die hundert Leute auf den Bänken des Wirtshauses, verstopften den Eingang oder purzelten durch die Fenster. Das Einhorn schritt unbemerkt hinterdrein, eine weiße Stute mit seltsamen Augen.
    Der Mann namens Drinn saß neben Schmendrick und Molly, unterhielt sie mit seinem Geplauder, während sie aßen, und füllte ihre Gläser mit einem dunklen, pelzigen Wein. Molly Grue trank sehr wenig. Sie saß still da und betrachtete die Gesichter ringsumher. Es fiel ihr auf, dass keines von ihnen jünger aussah als das von Drinn, einige jedoch viel älter. In irgendeiner Weise’ ähnelten sich die Gesichter der Hagsgater sehr stark, aber sie fand nicht heraus, woher das kam.
    »Und jetzt«, sagte Drinn, als das Mahl vorüber war, »müsst ihr mir erlauben, euch diesen unzivilisierten Empfang zu erklären.«
    »Ach was, das kannst du dir sparen«, lachte Schmendrick; der Wein hatte ihn vergnügt und ungezwungen gemacht und

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