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Das letzte Einhorn

Das letzte Einhorn

Titel: Das letzte Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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Dann fragte er: »Was befiehlt Eure Majestät? Sollen wir die Nacht hier verbringen und uns bei Tagesanbruch auf den Weg machen?«
    Doch der König gab seinem Pferd die Sporen und ritt aus den Trümmern von Hagsgate davon, so schnell er nur konnte. Es dauerte lange, bis Molly und Schmendrick ihn eingeholt hatten, und noch länger, bis sie sich zum Schlafen niederlegten.
     
    Viele Tage reisten sie durch König Lirs Reich; und mit jedem Tag kam ihnen dieses Land weniger bekannt vor, freuten sie sich mehr an ihm. Der Frühling lief ihnen feuerschnell voran, bedeckte alles Bloße und öffnete, was lange dicht verschlossen. Der Frühling berührte die Erde, wie das Einhorn Lir berührt hatte. Alle Tiere, vom Bären bis zur Biene, kreuchten und fleuchten, huschten und trippelten am Wegesrand; und der hohe Himmel, der so sandig und trocken wie die Erde gewesen war, blühte jetzt vor Vögeln; in so dichten Scharen flogen sie, dass es fast den ganzen Tag Abend zu sein schien. Fische tummelten sich in den reißenden Flüssen, und auf den Hügeln schossen Blumen dahin wie entflohene Gefangene. Das ganze Land lärmte vor Leben, doch es war das stumme Frohlocken der Blumen. das die Reisenden bei Nacht wach hielt. Die Bewohner der Dörfer grüßten sie argwöhnisch, kaum weniger mürrisch, als sie bei Mollys und Schmendricks erstem Besuch gewesen waren. Nur die Ältesten unter ihnen hatten schon einen Frühling erlebt, und viele von ihnen hielten das überschäumende Grün und die Frische allenthalben für eine Seuche oder Landplage. König Lir teilte ihnen mit, dass König Haggard tot, der Rote Stier für alle Zeiten verschwunden sei, und er lud sie ein, ihn zu besuchen, sobald sein neues Schloss erbaut sei. »Sie werden einige Zeit brauchen, um Freude an Blumen zu empfinden«, sagte er zu Molly und Schmendrick.
    Überall verkündete er den Geächteten und Vogelfreien einen Generalpardon; Molly hoffte sehr, dass diese Nachricht bis zu Captain Cully und seinen fröhlichen Gesellen dränge. Das tat sie auch, und die lieben Gesellen nahmen augenblicklich Abschied vom Leben im schönen grünen Wald. Captain Cully und Jack Jingly aber widmeten sich beide dem Gewerbe des fahrenden Sängers. Es wird berichtet, dass sie in der Provinz eine gewisse Berühmtheit erlangten.
    Eines Nachts hatten die Drei ihr Lager im hohen Gras an der entlegensten Grenze von König Lirs Reich aufgeschlagen. Der König wollte ihnen am nächsten Morgen den Abschied entbieten und nach Hagsgate reiten. »Ich werde einsam sein«, sagte er in der Dunkelheit. »Ich ginge lieber mit euch und wäre nicht König.«
    »Oh, mit der Zeit wirst du Gefallen daran finden«, meinte Schmendrick. »Die besten jungen Männer aus den Dörfern und Städten werden an deinen Hof kommen, und du wirst sie lehren, Ritter und Helden zu werden. Die weisesten Minister werden dir raten, und die besten Musikanten, Gaukler und Märchenerzähler werden herbeieilen und deine Gunst suchen. Und zur rechten Zeit gibt es dann eine Prinzessin – entweder auf der Flucht vor ihrem unaussprechlich bösen Vater und ihren Brüdern oder auf der Suche nach Gerechtigkeit für dieselben. Vielleicht wird man dir von ihr berichten, wie sie gefangen sitzt und in einer Festung aus Granit und Feuerstein schmachtet, nur in Gesellschaft einer mitleidigen Spinne …«
    »Das alles kann mir gestohlen bleiben«, sagte König Lir. Er schwieg so lange, dass Schmendrick schon dachte, er sei eingeschlafen. Doch dann seufzte er: »Ach könnte ich sie nur noch ein einziges Mal wiedersehen, ihr alles sagen, was mein Herz erfüllt. Nie wird sie wissen, was ich wirklich sagen wollte! Du hast versprochen, ich würde sie sehen.«
    Der Zauberer antwortete ihm unwirsch: »Ich habe nur versprochen, dass du einige Spuren von Einhörnern sehen würdest, und das hast du auch. Dein Reich ist weit über das hinaus gesegnet, was irgendein Land verdient, weil sie es in Freiheit durchstreift haben. Was dich betrifft und dein Herz und die Dinge, die du gesagt hast, und die, die du nicht gesagt hast: Sie wird sich an alles noch erinnern, wenn die Menschen nur noch Märchen sein werden in Büchern, die von Karnickeln geschrieben werden. Denk daran und sei zufrieden!« Lir schwieg, und Schmendrick bereute seine Worte.
    »Sie hat dich zweimal berührt«, sagte er nach einer Weile. »Die erste Berührung hat dich zum Leben erweckt, doch die zweite geschah um deinetwillen.« Lir gab keine Antwort, und der Zauberer sollte nie erfahren, ob er

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