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Das letzte Einhorn

Das letzte Einhorn

Titel: Das letzte Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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müssten!«
    König Lir sagte: »Sie ist gegangen. Sucht mein Pferd und sattelt es. Auf!« Seine Stimme klang hart und heftig, die vier Krieger stürzten davon, um ihrem neuen Gebieter zu gehorchen.
    Doch Schmendrick, der hinter ihm stand, sagte ruhig: »Majestät, es darf nicht sein. Du darfst ihr nicht folgen.«
    Der König drehte sich um, und er sah aus wie Haggard. »Zauberer, sie gehört mir!« Nach einem Moment des Schweigens fuhr er in ruhigerem Tone fort, beinahe bittend: »Zweimal hat sie mich vom Tode erweckt, was wäre ich da ohne sie – tot zum dritten Mal?« Er packte Schmendrick an den Handgelenken, sein Griff war stark genug, um Knochen in Staub zu verwandeln, doch der Zauberer regte sich nicht. »Ich bin nicht König Haggard«, sagte Lir. »Ich trage kein Verlangen, sie zu fangen und zu besitzen, ich will mein Leben damit verbringen, ihr zu folgen, Kilometer, Meilen, ja Jahre hinter ihr, ohne sie vielleicht je zu sehen, aber zufrieden. Ein Held hat ein Recht auf ein gutes Ende, wenn es einmal greifbar nah vor ihm liegt!« Doch Schmendrick erwiderte: »Dies ist nicht das Ende, weder für dich noch für sie. Du bist der König eines wüsten Landes, in dem es nie einen anderen Herrscher gegeben hat als die Furcht. Deine wirkliche Aufgabe hat eben erst begonnen. Mag sein, du wirst während deines ganzen Lebens nicht erfahren, ob sie dir’ gelingt, es sei denn, du versagtest. Was sie angeht, so hat ihre Geschichte kein Ende, weder ein gutes noch ein schlimmes. Sie wird nie jemandem gehören, der sterblich genug ist, sie zu begehren.«
    Dann tat er etwas sehr Seltsames, er legte seine Arme um den jungen König und hielt ihn einige Zeit. »Sei zufrieden, mein Gebieter«, sprach er leise. »Kein Mensch hat jemals mehr Gunst von ihr erfahren als du, und kein anderer wird jemals mit ihrem Gedenken gesegnet sein. Du hast sie geliebt, und du hast ihr gedient. Sei zufrieden und sei König.«
    »Aber das will ich doch gar nicht!« schrie Lir. Der Zauberer gab keine Antwort, sah ihn nur an. Blaue Augen starrten in grüne, ein hager und herrisch gewordenes Gesicht blickte in eines, das weder so schön noch kühn war. Der König fing zu blinzeln und schielen an, als schaute er in die Sonne, und nach kurzer Zeit schlug er die Augen nieder. »So sei es«, murmelte er. »Ich werde bleiben und allein über ein elendes Volk herrschen, in einem Lande, das ich hasse. Doch an meiner Herrschaft werde ich nicht mehr Freude haben als der arme Haggard.«
    Eine kleine gestromte Katze mit einem verkrümmten Ohr strich aus dem Nirgendwo heran und gähnte Molly an. Sie hob sie auf, presste sie gegen ihr Gesicht, und die Katze begann mit ihren Pfoten nach Mollys Haar zu haschen. Schmendrick lächelte und sagte zu dein König: »Wir müssen dich jetzt verlassen. Wirst du uns den Freundesdienst erweisen, bis an die Grenze deines Reiches mit uns zu reiten? Zwischen hier und dort liegt viel, was deiner Aufmerksamkeit wert ist. Und ich kann dir versprechen, dass wir einige Spuren von Einhörnern sehen werden.« Der König rief nach seinem Pferd, und die Männer suchten und fanden es; aber für Schmendrick und Molly gab es keine Pferde. Doch als die Männer zurückkamen, da drehten sie sich, Lirs Erstaunen gewahrend, um und sahen, dass zwei weitere Pferde gehorsam hinter ihnen hertrotteten, ein Rappe und ein Brauner, beide schon gesattelt und aufgezäumt. Schmendrick gab Molly den Braunen und nahm den Rappen für sich selbst.
    Sie fürchtete sich vor den Tieren. »Gehören sie dir?« fragte sie. »Hast du sie gemacht? Kannst du das jetzt? Einfach Dinge machen?« Des Königs Verblüffung war wie ein Echo auf ihr Erstaunen.
    »Ich habe sie gefunden«, antwortete der Zauberer, »doch unter Finden verstehe ich etwas anderes als du. Frag nicht weiter.« Er hob sie in den Sattel und sprang dann selber auf.
    Also ritten die Drei davon, und die Soldaten folgten zu Fuß. Niemand blickte zurück, denn es gab nichts zu sehen. Doch König Lir sagte, ohne sich umzudrehen: »Seltsam, an einem Ort zum Mann herangewachsen zu sein und dann zu sehen, wie dieser Ort verschwunden ist, wie sich alles verändert hat – und plötzlich ist man König. Ist denn nichts davon Wirklichkeit gewesen? Bin ich Wirklichkeit?« Schmendrick gab keine Antwort.
    König Lir trieb zur Eile, doch Schmendrick bestand auf einer gemächlichen Gangart und auf zahlreichen Umwegen. Wann immer Lir unruhig wurde und schneller voran wollte, ermahnte ihn Schmendrick, Rücksicht auf

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