Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)
Sünden. Und er führe euch zum ewigen Leben.«
»Amen.«
Cesare kniet neben den Bravi nieder. Auch er senkt den Kopf, um den Segen zu empfangen. Giovanni Giustiniani, der Kommandeur der Genuesen, folgt seinem Beispiel. Dann auch Don Francisco de Toledo, der Cousin des Kaisers. Nur Konstantin, als Basileus der Stellvertreter Christi auf Erden, bleibt unschlüssig neben mir stehen und verschränkt die Arme hinter seinem Rücken.
»Der barmherzige Gott gewähre euch Gnade und Tröstung. Und Ausdauer in den guten Werken, die ihr verrichtet.«
Alle: »Amen.«
»Der Segen des allmächtigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, komme auf euch herab und bleibe bei euch allezeit. Bis zur Stunde eures Todes. Amen.«
Alle: »Amen.«
Cesare, Giovanni und Francisco bekreuzigen sich und küssen ihre Fingerspitzen.
Mit dem Daumen male ich allen ein Kreuz auf die Stirn. Dann umarme ich sie herzlich zum Abschied. »Giovanni. Francisco.«
Es gibt Augenblicke, in denen ein Lichtstrahl die Finsternis erhellt. Es sind die Augenblicke, in denen eine schlichte Freundlichkeit, kaum mehr als eine Geste, mit einem so strahlenden Lächeln erwidert wird, dass einem die Tränen in die Augen schießen, mit einem so ehrlichen Dank, dass man weiche Knie bekommt. Es sind die Augenblicke, die mich weitermachen lassen, so schwierig es ist, so finster um mich herum, so hoffnungslos. Der Genuese und der Kastilier nicken mir zu und erheben sich.
»Federico!« Ich winke ihn heran.
»Euer Gnaden?«
Ich ziehe einen Brief unter meinem Harnisch hervor. »Gib diesen Brief Kardinal Prospero.«
»Was ist das?« Er betrachtet das gesiegelte Pergament von allen Seiten.
»Mein Testament. Mein Abschied von meiner Familie. Ich habe den Brief heute Nacht verfasst.« Ich lächele müde. »Nach meiner Hochzeit mit Cesare in der Hagia Sophia.«
»Meinen Glückwunsch, Euer Gnaden. Ich …«
Ich winke ab. »›Bis der Tod uns scheidet‹, Federico. Cesare und ich, wir werden wohl nicht gemeinsam alt werden. Wir werden diesen Tag nicht überleben.«
»Gott sei Euch gnädig.« Er bekreuzigt sich.
»Gib diesen Brief Kardinal Prospero.«
»Ihr könnt Euch auf mich verlassen.«
»Meine beiden Söhne, die ich sehr geliebt habe, sind tot, Federico. Ich habe keine Erben. Wenn du nach Rom zurückkehrst, wartet dort ein Vermächtnis auf dich. Ein Haus in der Via dei Coronari, gegenüber der Engelsburg. Und eine monatliche Zuwendung, die es dir erlaubt, frei zu entscheiden, ob du dir einen neuen Herrn suchen willst. Oder eine Frau, mit der du eine Familie gründen kannst. Ich weiß, wie sehr du dir ein Kind wünschst.«
So wie ich, füge ich im Stillen hinzu und schlucke.
»Kardinal Prospero würde dich sehr gern in seine Dienste nehmen. Sollte er Papst werden, könnte er dich zum Kommandanten der Engelsburg ernennen.«
Er ringt mit den Tränen und senkt den Blick.
Ich lege ihm die Hand auf die Schulter und schüttele ihn freundschaftlich. »Ich entbinde dich von deinem Treueschwur mir gegenüber.«
»Nein«, muckt er.
»Doch, Federico. Sieh zu, dass du am Leben bleibst. Und sieh zu, dass du glücklich wirst.« Ich umarme ihn ganz fest.
»Danke.« Er schnieft.
»Schon gut, Federico. Und jetzt Schluss, sonst muss ich auch noch weinen. Und diesen Triumph will ich Mehmed nicht gönnen, wenn er meinen abgeschlagenen Kopf betrachtet.«
Mit dem Handrücken wischt er sich die Tränen ab, dann tritt er nach hinten.
Ich gehe zur Mauerbrüstung hinüber und werfe einen Blick auf die näher rückenden türkischen Truppen.
Der Kanonendonner, der seit siebenundvierzig Tagen die Stadt erschüttert hat, ist nun endlich verstummt. Mehmed hatte seine Geschütze auf drei Positionen konzentriert, darunter die Mauer am Blachernen-Palast, die bis gestern unter meinem Kommando stand und die jetzt von den Brüdern Bocchiardi und ihren Genuesen gehalten wird. An drei Stellen sind die äußeren Verteidigungswälle schon zusammengebrochen, sodass Mehmeds Reiterei bis an die innere Mauer vorrücken kann. Es ist keine Frage mehr, ob er durchbrechen wird, sondern nur noch, wann.
Heute.
»Lagebesprechung!«, ruft Konstantin. »Alle Kommandeure zu mir!«
Cesare, Giovanni, Francisco und einige andere Offiziere scharen sich um den Basileus als Oberkommandierenden. Die Bocchiardi – die Brüder Paolo, Antonio und Troilo – und ihre Genuesen sind schon auf der Blachernen-Mauer, Girolamo Minotto und Gabriele Trevisan und ihre Venezianer stehen auf der Seemauer zum
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