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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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verlassenen Leiter, über die eben noch einige Türken in die Stadt eindrangen.
    Blick nach oben: Kein Verteidiger ist mehr am Leben.
    »Du zuerst!«, kommandiert Cesare. Er packt mich bei den Schultern und schiebt mich zur Leiter.
    Ich will meinen Dolch ziehen, um mich, wenn ich die Zinnen erreiche, gegen die Angreifer zu wehren, aber da ist keiner. Ich sehe an mir hinunter. Tatsächlich, kein Dolch. Dann fällt mir ein, dass ich ihn dem Erzbischof mit der Ikone in die Hand gedrückt habe. Ob er noch lebt?
    »Allahu ekber, Allahu ekber …« Sie kommen immer näher.
    Auf der schwankenden Leiter erreiche ich die Brüstung und spähe zwischen den Zinnen hindurch auf den Wehrgang. Niemand zu sehen. Ich winke Cesare, mir zu folgen, und klettere auf die Innenmauer. Dort entdecke ich Körbe mit Helmen, eine Kiste mit Schwertern, eine mit Äxten, einen Stapel irdener Gefäße mit Griechischem Feuer, einen Haufen aufgerollter Seile, ein Pulverfass, ein Bündel mit Lunten, eine Kanone mit einem Haufen Kugeln. Dazwischen liegen Tote: eine alte Frau, die den Ladestock der Kanone, mit dem sie sich gegen die Angreifer gewehrt hat, noch fest umklammert. Neben ihr ein Junge von acht oder zehn Jahren, vermutlich ihr Enkel. Einige Schritte weiter liegt ein orthodoxer Mönch im schwarzen Gewand. Sein blutüberströmter Kopf ist bis vor einen Kessel mit siedendem Pech gerollt. Daneben liegt seine schwarze Schleierhaube.
    Eine Blutlache ist mit Sand zugeschüttet worden, damit kein Verteidiger ausrutscht und stürzt.
    Cesare taucht neben mir auf. Er sagt kein Wort. Er weiß, was Krieg bedeutet. Der Kampf auf dem Schlachtfeld ist seine Berufung und sein Broterwerb. Cesare ist Condottiere des Papstes, einer der erfolgreichsten Feldherren Italiens. Francesco Sforza, Federico da Montefeltro, Cesare Orsini – irgendwann werden die mächtigen Kriegsfürsten mit ihren gewaltigen Heeren Italien unter sich aufteilen. Und Cesare hat die größten Aussichten, sich zum König von Italien zu machen. Sobald Prospero Papst ist …
    Er deutet zu einer Treppe, die in einen Hof hinter der Mauer hinabführt. »Wir gehen da runter und dann an der Mauer entlang.«
    »Allahu ekber, Allahu ekber …«
    Ich folge ihm über den toten Mönch hinweg und die Stufen hinunter in einen Hof. Kurz darauf haben wir die Stelle erreicht, wo unsere Pferde angebunden sind.
    Cesares Hengst ist noch da, meiner ist verschwunden.
    Ich sehe mich um. »Al-Mansur! Da bist du ja!« Der rassige schwarze Araber steht einige Schritte entfernt und schnaubt. Offenbar hat ein Türke versucht, ihn zu reiten, und ist abgeworfen worden. »Y’allah, Al-Mansur! Komm schon!«
    Der edle Hengst ist ein Geschenk von Sultan Muhammad al-Aysar. Sein Stammbaum ist länger als meiner und reicht zurück bis zu dem Gaul, den der Prophet Mohammed ritt, als er Mekka eroberte. Die Zähmung dieses widerspenstigen Kleppers war nicht einfach: Nach wie vor lässt Al-Mansur niemanden außer mir in den Sattel – selbst Prinz Uthman, den jetzigen Sultan von Ägypten, hat er damals in Kairo in hohem Bogen aus dem Sattel geschleudert. Aus purem Trotz reagiert er nur auf arabische Befehle, nicht auf italienische. Oder türkische.
    Ich nehme die Zügel und klopfe ihm auf den Hals. Dann schiebe ich den Stiefel in den Steigbügel, ziehe mich am Sattelknauf hoch und schwinge mich in den Sattel.
    Wie müde ich bin! Seit mehr als einem Tag und einer Nacht bin ich auf den Beinen und habe fünf Stunden lang bis zur völligen Erschöpfung gekämpft.
    Cesare lenkt Il Fiorentino, ein Geschenk von Cosimo de’ Medici, neben Al-Mansur. »Ich würde ja zu gern wissen, was du mit deinem Gaul zu beratschlagen hast.«
    »Dann lern Arabisch.«
    Cesare verdreht die Augen. »Allora, andiamo!«
    Ich lächele matt, dann treibe ich Al-Mansur an. »Y’allah!«
    Nebeneinander galoppieren wir an der Mauer entlang zum Kaiserpalast.

Kapitel 73
    Hinter den Mauern von Konstantinopolis
29. Mai 1453
Kurz vor sieben Uhr morgens
    Die Nachricht, dass die Stadt verloren ist, verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Plötzlich sind auf der Mauer über uns türkische Standarten zu sehen, und die Byzantiner und Italiener flüchten in Scharen in die Stadt.
    »Da sind Troilo und Antonio!«, ruft Cesare und deutet auf zwei Italiener, die sich gerade in den Sattel ihrer Pferde schwingen.
    »Sie haben uns gesehen.«
    Troilo wendet sein Pferd und trabt auf uns zu. »Euer Gnaden!« Er nickt uns beiden zu.
    »Wie ist die Lage?«, fragt Cesare.
    »Allahu ekber,

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