Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)
Yeniçeriler marschiert hinter uns in die Stadt ein und schwärmt hinter dem Charisios-Tor nach allen Seiten aus, um sämtliche Pforten der Landmauer zu öffnen oder sich an den Plünderungen zu beteiligen. Die Verteidiger auf der Mauer sitzen plötzlich in der Falle und werden niedergemacht – Priester, Mönche, Frauen, Kinder. Der Widerstand auf der Mauer bricht innerhalb kürzester Zeit zusammen.
Cesare und ich sind gerade noch rechtzeitig entkommen.
Im Hof des Kaiserpalastes mit der Fassade aus rotem Backstein und weißem Marmor springen wir von den Pferden und führen die verschreckten Tiere über die große Freitreppe hinauf in den gewaltigen Marmorsaal, wo sie von den Plünderern nicht so schnell entdeckt werden können.
Es muss gegen sieben Uhr morgens sein, als wir durch die Arkadengänge zu den Gärten hetzen. Trotz der Anspannung und der Erschöpfung beeindruckt mich die grandiose Pracht des ausgedehnten Palastkomplexes, der sich von der Theodosianischen Mauer bis zur Küste des Goldenen Horns erstreckt.
Feuer und Rauch.
Ein Flügel des Palastes brennt, mehrere Gebäude sind unter dem Kanonenbeschuss von heute Nacht zerstört worden.
Die Gärten, in denen noch die Schatten der Nacht hängen, sind menschenleer. Keine Spur von Byzantinern. Aber jede Menge Türken, die durch den leeren Palast hetzen.
Die uns hetzen. Die Treppen hinauf, die Gänge entlang.
Cesare und ich machen einen Umweg durch den Thronsaal.
Niemand zu sehen.
In der Hoffnung, unsere Verfolger abzuschütteln, die mit Armbrüsten und Arkebusen auf uns schießen, verlassen wir den Thronsaal durch das gegenüberliegende Portal.
Die Türken wollen nicht plündern. Sie wollen töten.
Es wird Zeit, dass wir die Harnische mit unserem Wappen ablegen. Auf meinen Kopf hat Mehmed eine hohe Belohnung ausgesetzt.
Die Erschöpfung breitet sich immer schneller in meinem Körper aus. Sie scheint mich zu betäuben. Meine Bewegungen werden immer langsamer. Wieder saust eine Kugel an meinem Kopf vorbei und schlägt vor mir in die Marmorwand. Steinsplitter platzen ab und prasseln zu Boden. Cesare packt mich an der Schulter und zieht mich in einen Seitengang. Rasch blicke ich zurück. Drei Verfolger.
Gegen ihre Armbrüste und Arkebusen können wir uns nicht wehren. Ein Bolzen oder eine Bleikugel kann mühelos den Stahl unserer Rüstungen durchschlagen und tödliche Wunden reißen.
Sie wollen uns in die Enge treiben.
Wir fliehen durch einen langen Gang, dann eine Treppe hinunter, wieder durch einen Saal und einen zweiten Gang entlang. Links und rechts jede Menge Türen in diesem Labyrinth aus aneinandergebauten Palastgebäuden mit Sälen, Kapellen, Kerkern, Waffenarsenalen, Küchen und Vorratskammern. Und mit verborgenen Geheimgängen, die Konstantin uns gezeigt hat.
Irgendwann gelingt es uns, die Türken abzuhängen, weil sie viel Zeit für das umständliche Nachladen ihrer Schusswaffen benötigen. Mit der Angst im Nacken und dem Zischen der Bolzen und dem Pfeifen der Kugeln im Ohr erreichen wir schließlich unsere Räume im Palast von Kaiser Alexios Komnenos.
Niemand hier. Gott sei Dank!
Die Räume sind noch nicht geplündert worden.
Durch die Fenster des Schlafzimmers im obersten Stock des Palastes beobachte ich, wie die venezianischen Galeeren unter dem Kommando von Alviso Diedo gerade die Segel setzen, um zur Sperrkette am Ende der Meeresenge zu entkommen.
Der Raum bietet ein Bild der Verwüstung. Eine Kanonenkugel hat die Außenwand durchschlagen und teilweise einstürzen lassen. Das Bett ist zertrümmert. Hätten Cesare und ich dort unsere Hochzeitsnacht verbracht, wären wir jetzt tot. Die große Steinkugel liegt direkt vor meinem Schreibtisch.
Während Cesare die Tür hinter uns verriegelt, werfe ich in aller Eile meine Beute in eine Tasche. Die vier Folianten aus der kaiserlichen Bibliothek, zwei griechische und zwei arabische Bücher, die ich für mein Buchhandelsunternehmen in Florenz mitnehmen will. Meine Kopisten werden die kostbaren Bücher in den nächsten Monaten abschreiben. Dazu die beiden Abendmahlskelche aus Achat und Gold, die ich gestern Abend auf dem Rückweg von der Hagia Sophia aus dem Chora-Kloster geholt habe. Dann die Ikone Jesu Christi als Weltenherrscher aus der Erlöserkirche. Die Juwelen auf dem mit Blattgold verzierten Evangeliar in Jesu Armen sind ein Vermögen wert. Schließlich die silbernen Reliquiare und das schlichte Leinensäckchen mit den Saphiren.
Am Schluss steht nur noch das purpurrote
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