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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Stangen reißen die Yeniçeriler die Sandsäcke aus der Barrikade vor uns und legen Feuer an die Stützbalken. Mit ihrem Schild über den Kopf erhoben, klettern sie darüber hinweg und versuchen, in die Stadt zu gelangen.
    Vor dem Graben hinter der Barrikade nehmen die verschwitzten und erschöpften Griechen und Italiener unter meinem Kommando den stundenlangen Kampf wieder auf. Das Tor, durch das Giovanni Giustiniani geflohen ist, steht jetzt offen. Aber kein Italiener und kein Byzantiner flieht jetzt noch vor dem Kampf.
    Giovanni hat mit seiner Flucht eine verhängnisvolle Entscheidung getroffen, die das Schicksal von Konstantinopolis besiegelt hat.
    Es gibt keine Atempause.
    Verzweifelt stemmen wir uns der heranströmenden Flut entgegen. Welle auf Welle branden die Yeniçeriler heran und werfen sich mit einem »Allahu ekber – Gott ist groß!« in einen Kampf auf Leben und Tod, den wir Verteidiger ohne Erbarmen führen. Wie viele Türken ich in diesen Minuten tötete? Keine Ahnung, ich habe nicht mitgezählt. Waren es zehn oder zwölf?
    Erbitterter Nahkampf. Immer wieder können wir die Türken zurückdrängen, doch unser Widerstand wird mühsamer. Ist das das Ende? Nein!
    Unbeirrbar führe ich mein Schwert, wie mein Großvater Marcantonio Colonna, der Bannerträger der Kirche und Feldherr des Papstes, es mich gelehrt hat, als ich acht Jahre alt war: »Keinen Schritt zurückweichen, Sandra, hörst du? Schlag zu, na los, du kannst es! Du hast die Kraft, einen Schwertkampf zu überleben! Du bist eine Colonna! Du bist aufrecht, mutig und stark, stolz und unbesiegbar!«, feuerte er mich an, und ich sehe sein Gesicht vor mir, als ich auf die Yeniçeriler einschlage.
    Um mich herum nehme ich nur noch verschwitzte Gesichter wahr, vor Entsetzen geweitete Augen, aufgerissene Münder, gefletschte Zähne, Keuchen, Stöhnen und Schreien. Und ein ohrenbetäubendes Sirren aufeinanderprallender Schwerter und Axtklingen.
    Es ist ein furchtbares Gemetzel.
    Der Lärm wird immer wüster, immer zorniger, und das Schlachtfeld wird zur Hölle. Aber auch dieser Angriff der Türken bricht schon bald in sich zusammen, als die Frauen, Kinder und Greise auf den Zinnen der Innenmauer hinter uns Steine auf die Angreifer herabwerfen. Die »Allahu-ekber!«-Rufe und der verwegene Gesang der Yeniçeriler sind im Geschrei der Kämpfenden bald nicht mehr zu hören.
    Kaum mehr als tausend Christen, die seit Wochen keine Ruhe mehr finden, die seit Tagen hungern und die seit Stunden jeder schwer verletzt bis zur völligen Erschöpfung kämpfen, schlagen hunderttausend Muslime zurück. Ein großartiger Erfolg!, denke ich wie berauscht vom Kampf und wische mir das Blut eines Türken aus dem Gesicht. Doch sofort folgt die Ernüchterung, denn plötzlich weht eine türkische Fahne auf der eingestürzten Barrikade vor mir.
    Verzweifelt kämpfen wir weiter. Ungestüm und unbeirrbar schlagen wir mit den Schwertern um uns, stoßen wir mit den Lanzen zu und hauen wir mit den Äxten drein, sodass es uns schließlich gelingt, die mit neuer Kraft herandrängenden Türken aufzuhalten und zurückzuschlagen.
    »Sie ziehen sich zurück!«, brüllt Federico. Er zieht sein Schwert aus der Brust eines Kampfgegners und kommt in geduckter Haltung zu mir herüber.
    Ein Geschoss mit Griechischem Feuer zerplatzt einige Schritte neben ihm. Sein Waffenrock fängt Feuer und brennt am Saum. Sofort reißt er sich das Gewand vom Leib und schleudert es fort. Dann klettert er über die Leichen zu mir herüber. Ich stolpere über einen toten Yeniçeri, doch er hält mich fest, bevor ich stürze.
    Federico Tannhäuser wirft einen raschen Blick über meine Schulter und nickt in Richtung des Tors. »Der Kaiser.«
    Ich wende mich um.
    Tatsächlich, da kommen Konstantin und Cesare!
    Konstantin stapft über einige tote Griechen und Türken hinweg, bleibt neben mir stehen und sieht sich um. »Wie ist die Lage?«
    »Uns war nicht langweilig«, keuche ich.
    Er lacht. »Das dachte ich mir. Cesare und ich waren auf der Innenmauer. Ungefähr dreißigtausend Krieger bewegen sich auf die eingestürzte Barrikade zu. In wildem Galopp preschen die Steppenkrieger heran. Ihnen folgen in geordneten Reihen mit hoher Marschgewindigkeit weitere Regimenter der Yeniçeriler. Mehmed zieht seine Truppen vor der Barrikade zusammen.«
    Ich atme tief durch. »Das ist das Ende.«
    Er nickt.
    Plötzlich ein Entsetzensschrei. Eine türkische Standarte steht auf der Barrikade.
    Von Todesangst ergriffen, wenden selbst

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