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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Ich betrachte beide Stiefelschäfte von allen Seiten – kein eingesticktes oder eingepunztes Wappen, kein Name, nichts. Ich lege die Stiefel auf den Boden und spähe wieder in die Truhe. Was ist denn das?
    Ich hole eine silberne Zunderdose heraus und öffne den Deckel. Ein Feuerzeug ist darin, außerdem Zunder, Kerzenstummel, Pinzette, Federmesser, Damasthandschuhe.
    Ganz unten in den Truhe finde ich ein in Leder gebundenes Notizbüchlein. Mit zitternden Fingern klappe ich es auf.
    Kein Name auf der Innenseite des Buchdeckels.
    Ich schlage die erste Seite auf. Kreise, Striche, Kreuze, Punkte … Die Schrift, die sich über mehrere Seiten erstreckt, kenne ich. Es ist nicht Lateinisch, nicht Griechisch, nicht Hebräisch, nicht Arabisch. Es ist ein Geheimcode.
    Die Sache wird immer rätselhafter.
    Was haben diese kryptischen Notizen zu bedeuten? Woran habe ich gearbeitet? Wie lautete mein Auftrag?
    Ich überfliege den Text, der immer unleserlicher wird. Und immer wirrer. Worte und Sätze reihen sich ohne Punkt und Komma aneinander.
    Ich kann mich nicht erinnern. Und ich kann nicht verstehen, was ich da eigentlich lese. Nur so viel: Mein Auftrag ist geheim.
    Aber das hilft mir nicht weiter. Ich brauche einen Hinweis, ein Bild der Reliquie, irgendetwas!
    Bebend vor Aufregung blättere ich um …

Kapitel 9
    In der Zelle des Abtes
21. Dezember 1453
Kurz nach zwölf Uhr mittags
    … und starre die Skizzen an. Darunter stehen meine handschriftlichen Kommentare: Johannes der Täufer, Pharos-Kapelle, 5. Dezember 1452. Jesus Christus, Hagia Sophia, 7. Dezember 1452.
    Byzanz also!
    Neben den beiden Zeichnungen der byzantinischen Ikonen von Jesus und Johannes erkenne ich ein verwischtes Abbild eines männlichen Gesichts, schattenhaft, düster, geheimnisvoll. Daneben entziffere ich eine nahezu unleserliche Notiz: Welche Ähnlichkeit zwischen dem Tuch und den Fresken, obwohl man das sepiafarbene Bild auf dem Linnen kaum erkennen kann! Ich bin so glücklich, dass Konstantin mir die Reliquie gezeigt hat. Ich glaube, so hat er ausgesehen.
    Am Rand des Büchleins finde ich eine Tagebucheintragung: 9. Dezember 1452. Langer Spaziergang an der Stadtmauer mit Konstantin. Ohne Gefolge. Wir sprachen über die Kirchenunion. Ich denke, er wird zustimmen. Er hat keine andere Wahl, als sich Rom zu unterwerfen. Eine lateinische Messe in der ehrwürdigen Hagia Sophia – noch in diesem Jahr? Ich glaube schon …
    Drei Kreuze habe ich aufs Pergament gemalt.
    Konstantin.
    Sein Gesicht taucht wie aus einem dichten Nebel vor mir auf. Dann seine Gestalt: groß, schlank, ein Kämpfer im Kaiserornat, mit Purpurstiefeln und Perlendiadem. Aber ich kenne ihn auch anders. Still und verzweifelt. Warum hat er mir einen Antrag gemacht? Und warum habe ich ihn abgelehnt?
    Sanft gleiten meine Fingerspitzen über das von der Tinte wellige Pergament.
    Am Ende der Seite habe ich zwei Abendmahlskelche skizziert. Kostbare Gefäße aus Achat und Gold, verziert mit Perlen und Juwelen. Mein Kommentar: Chora-Kloster. Dezember 1452. Orthodoxe Messe mit Kardinal Isidor und den Mönchen. Tommaso reißt mir den Kopf ab.
    Wer ist Tommaso?, frage ich mich verwirrt.
    Ich schließe das Büchlein. Irgendetwas habe ich übersehen. Ich habe gerade eben etwas gesehen oder gelesen, und das hat mich stutzig gemacht. Aber was? Ich kann mich nicht mehr erinnern. Aber ich weiß, dass ich recht habe. Da war etwas! Etwas Wichtiges, Entscheidendes. Aber was?
    Ich lege das Notizbuch auf den Tisch. Dann krieche ich zur nächsten Reisetruhe, um hineinzuspähen.
    Bücher. Drei schwere Folianten. Zwei auf Griechisch, einer auf Arabisch. Noch etwas liegt in der Truhe, eingewickelt in ein Tuch. Wieder ein Buch. Arabische Schrift. Herrliche Buchmalereien auf glänzendem Blattgold. Das Buch ist ein kostbarer Schatz.
    Ich horche in mich hinein. Keine Erinnerung. Also weiter.
    Zwei kostbare Kelche aus Gold und Achat. Mit Juwelen und Perlen verziert. Ich erkenne sie wieder. Ich krieche zurück zum Tisch und schlage das Notizbuch noch einmal auf. Da! Am linken unteren Rand. Es sind eindeutig dieselben. Sie müssen aus dem Chora-Kloster stammen.
    Wieder betrachte ich die Seite mit den Skizzen der Ikonen und Reliquien. Das Unbehagen kehrt zurück. Die Erinnerung leider nicht.
    Ich lege das Büchlein neben mich auf den Boden und durchsuche weiter die Truhe. Als Nächstes entdecke ich eine mit goldenen Kreuzen verzierte Schatulle aus Rosenholz. Auf dem Deckel schimmern Darstellungen von Engeln. In der Mitte

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