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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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unter das Kopfkissen und setze mich auf.
    Ich habe keine Zeit mehr zu verlieren.

Kapitel 7
    In der Zelle des Abtes
21. Dezember 1453
Viertel vor zwölf Uhr mittags
    Die beiden Reisetruhen neben dem Tisch ziehen mich geradezu magisch an. Ich bin mir sicher, dass ich darin etwas finden werde, das mir verrät, wer ich bin und was geschehen ist.
    Ich brauche Antworten, weil ich nicht glaube, dass ich das noch lange aushalten kann, ohne verrückt zu werden.
    Adriana de Zafra y de Borja.
    Zugegeben, ein klangvoller Name. Er klingt nach kastilisch-aragonesischem Adel, nach befestigter Burg, nach eigenem Heer, nach Macht und Einfluss der Familie bei Hofe. Aber ist es wirklich meiner? Ich empfinde nichts, wenn Gil mich Adriana nennt.
    Plötzlich kehrt der Schwindel zurück. Ich taste nach dem Zinnbecher auf dem Nachttisch und leere ihn in einem Zug. Das kalte Wasser belebt mich.
    Behutsam stehe ich auf. Vorsichtig setze ich einen Fuß vor den anderen, als beträte ich eine dünne Eisfläche, die jederzeit einbrechen kann. Das Knistern und Knacken der Funken stiebenden Holzscheite im Feuer übertönt meine Schritte auf dem knarrenden Holzboden. Ein triumphierendes Lächeln kann ich mir nicht verkneifen, als ich mich zum Pfosten des Himmelbetts vortaste, um mich kurz daran festzuhalten und auf Gils Schritte zu lauschen. Aber alles bleibt ruhig.
    Die Dielen vor dem Fenster knarzen durchdringend, sie würden das prasselnde Kaminfeuer übertönen. Ich muss also sehr vorsichtig sein, sonst kann Gil mich wahrscheinlich bis in die Küche der Abtei hören.
    Weiter!
    Zwei, drei, vier schlurfende Schritte, dann fassen meine ausgestreckten Hände den wuchtigen Eichentisch. Mein Gott, bin ich schwach!
    Vorsichtig lasse ich mich auf die zitternden Knie sinken und krieche auf allen vieren zur ersten Truhe. Erschöpft hocke mich davor auf den Boden.
    Es ist eine kleine Reisetruhe, die man auf einem Packsattel festschnallen kann. Ich hebe den Deckel an und klappe ihn zurück.
    Kleidung.
    Als ich mich über den Rand der Truhe beuge, um darin zu wühlen, beginnt es in meinem Kopf zu pochen. Stöhnend vor Schmerz betaste ich die Wunde an der rechten Seite meines Kopfes.
    Weiter! Ich darf keine Zeit verlieren. Gil kann jeden Augenblick zurückkommen mit einem Korb voller Holzscheite.
    Unterwäsche. Gewaschen und gefaltet. Meine? Ich rieche daran. Ein Hauch von Lavendelseife.
    Eine enge Hose. Zu klein für Gil, aber mir würde sie passen. Ich bin verwirrt. Ich trage Hosen? Ich kleide mich wie ein Mann? Obwohl die Kirche das verbietet?
    Ein Hemd. Schlicht und weiß. Gewaschen und gefaltet. Das Band der Halsverschnürung fehlt. Den großen Blutfleck, der den Stoff von der rechten Schulter bis zur Brust getränkt hat, konnte Gil mit der Lavendelseife wohl nicht auswaschen. Die rötlich braunen Flecken sehen immer noch so aus, als hätte er mit dem Stoff ein rostiges Schwert poliert. Entsetzt starre ich das Hemd an, das ich bei meinem Sturz getragen haben muss. So viel Blut!
    Gil muss mich für tot gehalten haben, als ich im blutigen Schnee lag. Wie lange haben die dicken Schneeflocken ein Leichentuch über mich gebreitet? Wo war Gil, als ich gestürzt bin? Und Galcerán?
    Die Erinnerung kehrt mit atemberaubender Wucht zurück. Ich schwebe über meinem Körper, der wie ein aus dem Himmel gestürzter Engel unter mir im verharschten Schnee liegt, die Arme weit ausgebreitet, die Beine gespreizt. Schneeflocken legen sich auf mein Gesicht – wie ein weißes Leichentuch, das sich von meinem Blut rot verfärbt.
    Schnee und Blut.
    Und ein Schlüssel, den ich in der Hand halte.
    »Was ist das Letzte, woran du dich erinnerst?«, hat Gil vorhin gefragt.
    Das Gefühl, tot zu sein.
    Nein, da war noch etwas anderes.
    Die niederschmetternde Erkenntnis, dass ich versagt habe.
    Aber wobei, frage ich mich.
    Ich lege die Sachen zurück in die Truhe, schließe den Deckel, krieche zurück zum Tisch und ziehe mich hoch auf einen Stuhl.
    Mein Blick fällt auf den Schlüssel, den ich drei Tage lang so fest in der Hand gehalten habe. Warum liegt er ausgerechnet hier? Ich greife nach dem Seidenband, an dem er hängt, und lasse es durch meine Finger gleiten. Es ist zerrissen und steif von getrocknetem Blut. Ich glaube, es stammt aus der Halsverschnürung des blutigen Hemdes. Habe ich den Schlüssel um den Hals getragen?
    Wohin führt der Schlüssel? Haben Gil, Adrian und Lionel in den letzten Stunden, während ich schlief, das passende Schloss gesucht? Wenn Gil den Schlüssel

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