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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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bin ich zurück.«
    Wohin will er? Ins Tal? Will er mit dem Boten aus Rom reden? Und den Brief des Großmeisters beantworten? Und dabei sichergehen, dass ich das Bett nicht noch einmal verlasse?
    Ein Plan beginnt in meinem Kopf Gestalt anzunehmen … irrsinnig und gefährlich … aber es ist ein Hoffnungsschimmer …
    Ich fühle mich, als wäre ich in Watte gepackt. Weich. Warm. Keine Schmerzen mehr.
    Ich darf nicht einschlafen!
    Schritte bewegen sich zur Tür.
    Ein Quietschen.
    Ein Rumpeln.
    Dann ist es still.
    Gil ist weg.
    Ich darf nicht einschlafen … muss … wach … bleiben …

Kapitel 11
    In der Zelle des Abtes
21. Dezember 1453
Kurz nach halb ein Uhr mittags
    Stille.
    Finsternis.
    Wohlige Wärme.
    Ein betörender Duft.
    Schwerelos. Entspannt. Verwirrt.
    Bin ich wieder tot?
    Ist dies der Himmel? Oder die Hölle?
    Oder ein finsteres Grab?
    Gierig atme ich ein durch die halb geöffneten Lippen. Ich kann hören, wie es in meinem Inneren widerhallt.
    Blut rauscht in meinen Ohren wie ein tosender Fluss, der sich ins Meer der Stille ergießt.
    Wirbelnde Farben und Formen, die sich zu wabernden Gestalten verdichten, flüchtig wie Gespinste aus Nebel. Eine Ahnung. Ein Traum. Eine Vision im Haschischrauch.
    Ich lausche in die Stille, die mich samtig einhüllt.
    Nein, es ist nicht still, da sind Geräusche.
    Jemand spricht.
    Wer? Wo ist er?
    Niemand zu sehen.
    Was sagt er?
    »… Acheiropoieton …«
    Ich lausche angestrengt.
    »… ein nicht von Menschenhand gemachtes Abbild …«
    Wessen Abbild?
    Ein Gesicht taucht aus der Finsternis auf, wie in einem dunklen Spiegel, schemenhaft. Eine Mozzetta aus rotem Samt über einem langen Gewand aus weißem Brokat. Ein Brustkreuz aus Gold, mit Rubinen besetzt. Jemand legt seine Hand darum, während er mich ansieht. Mit der anderen reicht er mir einen Zettel. Ich kenne ihn, ich habe ihn schon einmal in der Hand gehalten. Darauf steht in griechischer Schrift:
    Μανδηλιον
    Wer ist das? Warum gibt er mir den Zettel?
    »Rette das Mandylion!«, bittet er mich.
    »Was ist das?«
    »Das geheime Evangelium.«
    Er hebt den Arm und deutet über meine Schulter. Ich wende mich um.
    Eine Gestalt, auch sie nur schemenhaft zu erkennen, steht hinter mir. Perlendiadem, Prunkgewand, Purpurstiefel. Sie deutet wiederum auf etwas, das hinter ihr ist. Ich blicke über ihre Schulter, kann aber in dem schwarzen Nebel, der uns einhüllt, nichts erkennen.
    »Rette das Mandylion!«, fleht Konstantin mich an.
    »Was ist das?«
    »Das letzte Evangelium. Von Gott selbst verfasst.«
    Plötzlich sehe ich, dass wir uns in einer Kathedrale befinden. Goldenes Abendlicht rinnt durch die Fenster in der gewaltigen Kuppel und sinkt als glühender Goldstaub auf den glänzenden Marmorboden nieder. Tausende knien vor dem Altar, wo ein Kardinal im Purpurornat die lateinische Messe zelebriert, nicht die griechische.
    Eine Totenmesse für ein sterbendes Weltreich.
    Jetzt erst bemerke ich das Blut an meinen Händen. Und den bluttriefenden Dolch. Blut rinnt von den Marmorwänden der Hagia Sophia und sammelt sich in einer großen Lache. Mit erhobenen Armen weicht Konstantin vor mir zurück. Im Schein eines auflodernden Feuers kann ich hinter ihm jemanden erkennen.
    Er liegt auf dem Boden und starrt ins Leere. Er ist tot.
    Mein Entsetzen weicht grenzenloser Traurigkeit.
    Wer ist das?
    Was habe ich getan?
    Zu Tode erschrocken beobachte ich, wie der Leichnam sich mit einem Ruck aufrichtet und mich ansieht. »Rette das Mandylion!«, keucht er mit einem Gurgeln. Blut schwappt ihm über die Lippen und tropft auf seinen Harnisch, aus dem auf wundervolle Weise eine rote Rose emporwächst. Oder ist es eine tiefe Wunde an seiner Seite, die unter dem langen weißen Gewand, das er unvermittelt trägt, wieder zu bluten beginnt?
    »Tu es um meinetwillen.«
    »Wer bist du?«
    »Du weißt, wer ich bin.«
    »Ich erinnere mich nicht.«
    Mit der blutigen Hand tastet er nach der Rose, die aus seiner Brust hervorrankt, reißt sie ab und hält sie mir hin.
    »Nimm sie. Die Rose gehört jetzt dir, wie die Säule. Die ganze Macht und Herrlichkeit von Rom … Nimm das Schwert und verteidige sie …«
    Während er mit einem erstickten Röcheln wieder in sich zusammensackt, deutet er auf Rose und Schwert in meinen blutigen Händen und flüstert mit letzter Kraft: »Rette das Mandylion! Du kannst es!«
    Bevor er in der Blutlache versinkt, verändert sich sein Gesicht. Ein wundervolles Leuchten umgibt es. Mandelförmige große Augen, eine lange

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