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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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krame das Notizbuch aus der Tasche.
    Nur ein paar Augenblicke!, verspreche ich mir, während ich schlotternd und mit den Zähnen klappernd auf den heulenden Wind lausche. Nur ein bisschen Ruhe!

Kapitel 45
    Auf dem verschneiten Abhang
22. Dezember 1453
Viertel vor ein Uhr nachts
    Mit zitternden Fingern blättere ich durch das Notizbuch und lese die ersten Seiten in kodierter Schrift. Die Kreise, Kreuze, Striche und Punkte sind Zeichen des Tifinagh, der Schrift der Tuareg. Woher ich sie kenne? Ich weiß es nicht. Aber offenbar beherrsche ich sie so gut, dass ich meine italienischen Notizen verschlüsselt niederschreiben kann. Ich verstehe nicht alles, denn ich habe nur Stichworte notiert. Aber so viel finde ich heraus:
    Im Geheimauftrag von Papst Nikolaus bin ich Ende 1452 zusammen mit Kardinal Isidor, dem offiziellen päpstlichen Kardinallegaten, nach Konstantinopolis gereist. Ich wusste genau, was von meiner Mission abhing: Der Sieg des Christentums im Kampf gegen den vorrückenden Islam. Die Türken standen vor den Toren von Byzanz, der letzten christlichen Bastion im Osten. Der Padi ş ah baute Festungen wie Rumili Hissar rund um die Stadt und drohte, Istanbul, wie er Konstantinopolis nannte, zu belagern und einzunehmen. Die Lage schien aussichtslos zu sein für Kaiser Konstantin. Das einst mächtige Imperium Romanum bestand nur noch aus der Stadt Byzanz. Konstantin war zu schwach, um sich gegen Mehmed zu wehren. Der Kaiser war auf die Hilfe des Papstes angewiesen. Doch der stellte eine Bedingung: Konstantin solle endlich der Kirchenunion zustimmen und sich Nikolaus als dem Oberhaupt der vereinigten katholisch-orthodoxen Kirche unterwerfen. Der Papst sandte mich in geheimer Mission nach Byzanz, um dem Kaiser, meinem Schwager, der vom Padi ş ah und vom Papst gleichermaßen bedrängt wurde, zu diesem verzweifelten Schritt zu überreden.
    Eine undankbare Aufgabe!, denke ich, während ich weiterblättere.
    Ja, da steht es, unterhalb der Zeichnung des Goldmosaiks von Jesus Christus in der Hagia Sophia, an den Rand des Büchleins hingekritzelt:
    9. Dezember 1452. Langer Spaziergang an der Stadtmauer mit Konstantin. Ohne Gefolge. Wir sprachen über die Kirchenunion. Ich denke, er wird zustimmen. Er hat keine andere Wahl, als sich Rom zu unterwerfen. Eine lateinische Messe in der ehrwürdigen Hagia Sophia – noch in diesem Jahr? Ich glaube schon …
    Drei Kreuze habe ich auf das Pergament gemalt.
    Ich blättere zurück und lese weiter.
    Mein erster Erfolg nach Wochen zäher Verhandlungen mit meinem Schwager: Am 12. Dezember 1452 feierten wir gemeinsam eine lateinische Messe in der Hagia Sophia. Das Unionsdekret von Florenz, während des Unionskonzils 1439 von Kaiser und Papst unterzeichnet, wurde von Kardinal Isidor feierlich verlesen. Die Kirchenunion war endlich rechtsgültig vollzogen.
    Ein Triumph für mich. Aber er währte nicht lange. Denn Mehmed, der die Vereinigung der Christenheit fürchtete, rüstete zum Krieg.
    Während die Stadt sich auf die Belagerung vorbereitete, erfüllte ich den zweiten Geheimauftrag, den ich von Papst Nikolaus erhalten hatte. In Konstantinopolis sollte ich nach alten Handschriften für die neu gegründete Biblioteca Vaticana suchen. Ich sollte das jahrhundertealte Wissen von Byzanz vor der Vernichtung durch die Türken bewahren und unbemerkt nach Italien schaffen, wo sich die geflohenen griechischen Gelehrten in Rom und Florenz versammelten. Eine gewaltige Rettungsaktion lief an: In versiegelten Fässern ließ ich Hunderte kostbare Folianten auf venezianischen und genuesischen Galeeren aus der Stadt schaffen – bis am 6. April 1453 Mehmed sein Purpurzelt vor den Mauern der Stadt aufschlug und die zweiundfünfzigtägige Belagerung begann.
    Wieso bin ich nicht geflohen?
    Ich blättere noch einmal zu der Seite mit den Zeichnungen der byzantinischen Ikonen von Jesus und Johannes. Am oberen rechten Rand der Seite erkenne ich das verwischte Abbild eines geheimnisvollen Gesichts.
    Das Mandylion?
    Welche Ähnlichkeit zwischen dem Tuch und den Fresken, obwohl man das sepiafarbene Bild auf dem Linnen kaum erkennen kann! Ich bin so glücklich, dass Konstantin mir die Reliquie gezeigt hat. Ich glaube, so hat er ausgesehen.
    Der Yeniçeri sprach vorhin von einem Mandil. Ein Tuch oder Linnen …
    Meine Notiz beschreibt tatsächlich das Mandylion!
    Es muss in jener Kapelle des Kaiserpalastes aufbewahrt worden sein, in dem Diniz und Galcerán auf Cesare und mich losgingen, um die Reliquie an sich zu

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