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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Schmerz.
    Gerade noch rechtzeitig habe ich mein Bein über seinen Hals geschwungen, sodass es beim Aufprall nicht unter dem Pferd eingeklemmt wurde. Taumelnd rappele ich mich auf und nehme die Zügel. Ich bin unverletzt.
    »Na komm schon, mein Kleiner! Steh auf! Es geht weiter!«
    Schnaubend kommt er auf die Beine, wobei er beinahe wieder ausgeglitten und gestürzt wäre. Er zittert am ganzen Körper. Erst als ich ihn tätschele, bemerke ich das Blut, das ihm über die Nüstern läuft. Er hat sich beim Sturz am Kopf verletzt.
    Wie schlimm ist es?, frage ich mich besorgt. Wird er es schaffen bis ins Tal?
    Schritte im Schnee. Sie kommen rasch näher.
    Der Yeniçeri ist nur noch eine Wegbiegung entfernt.
    Der Schnee fällt jetzt so dicht, dass ich kaum noch etwas sehen kann. Flocken hängen an meinen Wimpern. Die Eiskristalle brennen in meinen Augen, sodass ich blinzeln muss. Nichts als Weiß um mich herum. Aber wenn ich ihn nicht sehen kann, kann er mich auch nicht sehen. Und auch nicht treffen.
    Ich greife nach den Zügeln, hetze los und ziehe das verschreckte Pferd im Trab hinter mir her. In den Sattel steigen? Gott bewahre!
    Das Laufen im Tiefschnee erschöpft mich nach wenigen Schritten, mein Atem geht keuchend, mein Herz rast.
    Die Frage lautet: Werde ich es schaffen?
    Plötzlich rutscht der Hengst mit einem Huf aus und kommt gefährlich nahe an den Rand des Abgrunds, sodass ich schon fürchte, er würde abstürzen. Doch im letzten Moment findet er mit weit aufgerissenen Augen und bebenden Flanken wieder Halt und trabt weiter hinter mir her.
    Der Saumpfad wird immer schmaler. Kaum drei Ellen liegen zwischen dem Felsen rechts und dem Abgrund links.
    Der Hengst scheut und weigert sich, weiterzugehen.
    Ich zwinge mich zur Ruhe, denn ich weiß, dass sich meine Aufregung und meine Angst auf ihn übertragen haben. »Ganz ruhig, mein Kleiner!«
    Ich packe ihn fest am Halfter, doch er weicht mir aus und beginnt rückwärts zu gehen. Dabei setzt er einen seiner Hinterhufe neben den Steig und rutscht ab.
    Mit vor Schreck aufgerissenen Augen wirft er den Kopf hoch und wiehert schrill, als er merkt, dass er mit dem Hinterteil ausbricht und keinen Halt mehr findet. Panisch schlägt er nach hinten aus.
    Ich zerre am Halfter. »Nun komm schon!«, rede ich ihm mit gepresster Stimme zu.
    Mit vor Panik bebenden Flanken bleibt er stehen. Tatsächlich beruhigt er sich wieder etwas, findet sein Gleichgewicht wieder und kommt mit aufgerissenen Augen und flatternden Nüstern einen Schritt auf mich zu. Dann noch einen. Gleich haben wir den Engpass hinter mir erreicht.
    »Na siehst du, es geht doch!«
    Der Hengst scharrt vorsichtig mit einem Vorderhuf im Schnee und zuckt unruhig mit den Ohren.
    »Komm schon, mein Kleiner!«
    Der Weg führt einige Schritte aufwärts, und er beginnt mit den Hufen auszugleiten. Die Hufe ratschen über den vereisten Fels unter der verharschten Schneedecke, und er stößt ein verängstigtes Wiehern aus. Mit allen vieren rutschend und strampelnd, versucht er Halt zu finden, doch er gleitet rückwärts weg. Der Schauer von Schnee und Eis, den er lostritt, erschreckt ihn fürchterlich. Er steigt und schlägt mit den Vorderhufen aus. Dabei brechen die Hinterbeine aus, und er kippt schrill wiehernd hintenüber in den Tiefschnee. Er will hochkommen, doch er rutscht mit allen vieren heftig strampelnd noch weiter auf die vereiste Böschung zu.
    Mein Herz rast, und ich spüre, wie mir trotz der eisigen Kälte der Schweiß ausbricht. Nein, nicht das!
    Ich hetze zu ihm, versuche das Halfter zu greifen, die Zügel, die Mähne, den Steigbügel, den Sattelknauf, irgendetwas, um ihn vor dem Absturz zu bewahren, doch ich schaffe es nicht.
    Vor Todesangst schrill wiehernd rutscht er über den Rand des Felssturzes, schlägt verzweifelt mit den Beinen aus, um einen Halt zu finden, aber vergebens. Bei dem Geräusch, das von der Felswand hinter mir zurückgeworfen wird, sträuben sich mir die Nackenhaare. Der Hengst rutscht unaufhaltsam weiter, reißt voller Panik den Kopf hoch und kämpft wie wild.
    Die aufgerissenen Augen, die aufgeblähten blutigen Nüstern, das zum Todesschrei aufgerissene Maul, das ist alles, was ich noch wahrnehme. Wie erstarrt sehe ich mit an, wie der Hengst vor meinen Augen abstürzt, mit einem entsetzlichen Schrei, der mir das Blut gefrieren lässt. Er rutscht über den Abhang, überschlägt sich auf der steilen Felsflanke mehrmals, prallt gegen eine Bergkiefer, die durch die Erschütterung den Schnee auf

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