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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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langfristig besser gewesen für alle Beteiligten. Die Briten und die Deutschen hätten Frieden geschlossen, und Hitler hätte nie seine Politik durchbringen können.»
    «Louis Irigoyen, der damals unser Präsident war und Jahre später argentinischer Botschafter in Deutschland – er ist übrigens der Gleiche, nach dem diese Straße benannt ist   –, hat Hitler viele Male getroffen. Er hat ihn sehr bewundert. Er hat mir persönlich erzählt, dass Hitler der faszinierendste Mann wäre, dem er je begegnet war.»
    Die Erwähnung Hitlers ließ mich prompt an Anna Yagubsky denken und ihre verschwundenen Verwandten. Ich wählte meine Worte mit Bedacht, als ich auf das Thema argentinische Juden zu sprechen kam.
    «Ist das der Grund, weshalb Argentinien keine Juden hat einwandern lassen?»
    Montalban zuckte die Schultern. «Es war eine äußerst schwierige Zeit. Es gab so viele Menschen, die hierherkommen wollten. Es war einfach nicht möglich, sie alle aufzunehmen. Unser Land ist nicht so groß wie die Vereinigten Staaten oder Kanada.»
    Ich widerstand der Versuchung, den Colonel darauf hinzuweisen,dass Argentinien den Worten meines Reiseführers zufolge immer noch das achtgrößte Land auf der Erde war.
    «Und aus diesem Grund wurde Direktive elf ins Leben gerufen?»
    Montalban kniff die Augen zusammen. «Es ist nicht gesund, in Argentinien Bescheid zu wissen über Direktive elf. Wer hat Ihnen davon erzählt?»
    «Man hört gewisse Dinge, das ist alles.»
    «Sicher, aber von wem?»
    «Wir sind hier in der Geheimdienstzentrale des Landes», sagte ich. «Nicht bei Radio El Mundo. Es wäre doch überraschend, wenn man an einem Ort wie diesem nicht das eine oder andere Geheimnis erführe. Abgesehen davon wird mein Castellano von Tag zu Tag besser.»
    «Das ist mir nicht entgangen.»
    «Ich habe sogar gehört, dass Martin Bormann hier in Argentinien lebt.»
    «Das glauben zumindest die Amerikaner. Und das ist der beste Beweis dafür, dass es nicht so ist. Versuchen Sie nur, sich an das zu erinnern, was ich Ihnen gesagt habe. In Argentinien weiß man besser alles, als dass man zu viel weiß.»
    «Verraten Sie mir eines, Colonel – hat es noch weitere Morde gegeben?»
    «Morde?»
    «Sie wissen schon, ein Mensch tötet einen anderen absichtlich. In diesem Fall ein Schulmädchen. Wie das Mädchen, das Sie mir im Polizeihauptquartier gezeigt haben. Das Mädchen, dem die Geschlechtsorgane entnommen wurden.»
    Er schüttelte den Kopf.
    «Und das verschwundene Mädchen, Fabienne von Bader?»
    «Ist immer noch verschwunden», sagte er und lächelte traurig. «Ich hatte gehofft, Sie hätten sie zwischenzeitlich gefunden.»
    «Nein. Noch nicht. Doch ich stehe möglicherweise dicht davor,die wahre Identität des Mannes aufzudecken, der Anita Schwarz ermordet hat.»
    Für einen Moment blickte er mich verwirrt an.
    «Das Mädchen, das in Berlin ermordet wurde, damals, 1932.   Sie erinnern sich? Sie haben in den deutschen Zeitungen davon gelesen, als ich noch Ihrer Vorstellung von einem Helden entsprochen habe.»
    «Ja, ja. Natürlich. Glauben Sie, dass er irgendwie nach Argentinien gekommen ist?»
    «Um das zu sagen, ist es noch ein wenig früh. Auch angesichts der Tatsache, dass ich diesen Arzt, von dem Sie mir erzählt haben, den Spezialisten aus New York, noch nicht zu Gesicht bekommen habe.»
    «Dr.   Pack? Aber deshalb bin ich ja bei Ihnen vorbeigekommen. Um sie zu informieren, dass er hier ist, in Buenos Aires. Er ist heute eingetroffen. Er kann Sie gleich morgen früh untersuchen, oder vielleicht übermorgen, je nachdem   …»
    «…   was sein anderer, wichtigerer Patient sagt. Ich weiß, ich weiß. Aber nicht zu viel, nur alles. Ich werde es nicht vergessen, Sir.»
    «Ja, achten Sie darauf. Um Ihrer eigenen Sicherheit willen.» Er nickte. «Sie sind ein interessanter Mann, Señor, daran besteht nicht der geringste Zweifel.»
    «Ja, ich weiß. Auch das weiß ich. Ich hatte ein interessantes Leben.»
     
    Ich hätte besser auf die Warnung des Colonel hören sollen, doch ich hatte schon immer eine Schwäche für hübsche Frauen gehabt. Insbesondere, wenn sie so schön waren wie Anna Yagubsky.
    Mein Schreibtisch stand im zweiten Stock. Im Stockwerk darunter befand sich das
archivo
, wo die Akten des SIDE aufbewahrt wurden. Ich beschloss, auf dem Weg nach draußen einen Blick hineinzuwerfen. Ich war nicht zum ersten Mal dort – für jeden alten Kameraden, mit dem ich gesprochen hatte, verfasste ich einen detailliertenBericht,

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