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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Wagens gelandet, bevor ich den nächsten nervösen Atemzug getan hatte. Niemand sagte ein Wort. Niemand außer mir. Um mich unter anderem davon abzulenken, dass wir viel zu schnell über die kurvigen Straßen fuhren. «Ihr seid wirklich gut, Leute», sagte ich. «Hört mal, ich nehme nicht an, dass mein Dienstausweis vom SIDE irgendetwas nutzt, oder? Er ist in meiner Brusttasche. Nein? Dachte ich mir.»
    Wir fuhren in südliche Richtung, nach San Telmo. Ich unternahm ein paar weitere Anläufe in Castellano, die ebenfalls ignoriert wurden, und nach einer Weile fügte ich mich und hielt den Mund. In der Nähe des Kriegsministeriums bogen wir nach Westen ab. Mit sechzehn Stockwerken in zwei Flügeln war es das mächtigste Gebäude in Buenos Aires und überragte alle umstehenden Häuser. Die Nachbarstaaten wie Chile und Uruguay sollten wissen, mit wem sie es zu tun hatten. Nach einer Weile erreichten wir einen hübschen kleinen Park und dahinter eine mit Türmen und Zinnen bewehrte Festung, die aussah, als stünde sie dort, seit Francisco Pizarro nach Südamerika gekommen war. Als wir durch das Haupttor aus massiven Bohlen fuhren, erwartete ich halb, von den Brustwehren mit Felsbrocken beworfen und mit siedendem Pech übergossen zu werden. Wir parkten, und ich wurde aus dem Wagen bugsiert und zu einer Treppe im Hof gebracht, die nach unten führte. Am Ende eines langen Korridors wurde ich in eine kleine feuchte Zelle gestoßen, nachdem mich ein kleiner dicker Mann durchsucht hatte. Ein Stuhl, eine Holzpritsche und ein Topf leisteten mir Gesellschaft. Der Topf war halbvoll oder halbleer, je nachdem, von welcher Warte man diese Dinge betrachtete.
    Ich setzte mich auf den Fußboden, der einladender aussah als der Stuhl oder die Pritsche, und wartete. In irgendeinem weit entfernten, rattenverseuchten Turm lachte ein Mann ein hysterisches Lachen. Ein Wasserstrom plätscherte geräuschvoll über den Boden.Weil ich nicht sonderlich durstig war, machte mir das Geräusch nichts aus, und ich achtete nicht darauf. Doch nachdem ein paar Stunden vergangen waren, änderte ich meine Meinung.
    Der Abend dämmerte, als sich die Tür endlich wieder öffnete. Zwei Männer kamen in meine Zelle. Sie hatten die Ärmel hochgekrempelt. Sie schienen es ernst zu meinen. Der eine der beiden war klein und muskulös, der andere groß und muskulös. Der kleinere der beiden hatte etwas in der Hand, das aussah wie ein metallener Gehstock mit einem elektrischen Stecker an einem Ende. Der größere der beiden hielt mich fest. Ich versuchte, mich zu wehren, doch er schien es nicht einmal zu bemerken. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen. Es war irgendwo über den Wolken. Der kleinere der beiden hatte winzige blaue Augen wie kleine Halbedelsteine.
    «Willkommen in Caseros», sagte er mit gespielter Höflichkeit. «Draußen steht ein kleines Denkmal für die Opfer der Gelbfieber-Epidemie von 1871.   Im tiefsten Verließ dieser Festung ist eine Grube, in die die Leichen geworfen wurden. Jahr für Jahr gibt es weitere, neue Opfer der Gelbfieber-Epidemie von 1871.   Verstehen Sie, was ich meine?»
    «Ich denke schon.»
    «Sie haben Fragen über Direktive elf gestellt.»
    «Habe ich?»
    «Ich würde gern wissen, warum das so ist. Und was Sie zu wissen glauben.»
    «Bis jetzt weiß ich nur sehr wenig. Möglicherweise ist sie die Vorgängerdirektive von Direktive zwölf. Und ich wäre nicht überrascht, wenn jemand eines Tages herausfindet, dass sie die Nachfolgedirektive von Direktive zehn ist. Wie schlage ich mich so weit?»
    «Nicht besonders gut. Sie sind Deutscher, oder?»
    Ich nickte.
    «Das Land Beethovens und Goethes. Buchdruck und Röntgenstrahlen. Aspirin und Düsenmotoren.»
    «Nicht zu vergessen die
Hindenburg
», sagte ich.
    «Sie müssen sehr stolz sein auf Ihr Land. Wir in Argentinien haben der modernen Welt nur eine einzige Errungenschaft gebracht.» Er hob seinen metallenen Stab. «Den elektrischen Viehstock. Spricht für sich selbst, finden Sie nicht? Das Gerät gibt einen starken elektrischen Impuls ab, der ausreicht, ein Rind gefügig zu machen. Ein durchschnittliches Rind wiegt neunhundert Kilogramm. Zehnmal so viel wie Sie schätzungsweise. Trotzdem ist der Viehstock ein äußerst effektives Werkzeug, das Tier zu bändigen. Sie können sich vielleicht vorstellen, welche Auswirkungen so ein Stock auf einen Menschen hat? Ich hoffe für Sie, dass Sie dazu imstande sind, während ich meine nächste Frage stelle.»
    «Ich will mir Mühe geben»,

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