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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Ebensee. Und Skorzeny ist der Chef seiner Sicherheitsabteilung.»
    «Für so etwas braucht man eine Menge Geld.» Noch während ich das sagte, fiel mir wieder ein, dass Perón schon jetzt Zugriff auf Hunderte Millionen Dollar Nazi-Geld hatte – wenn es nach Evita ging, in naher Zukunft noch auf Milliarden mehr aus der Schweiz. «Außerdem viele Wissenschaftler», fügte ich hinzu. «Hast du irgendwo Wissenschaftler gesehen?»
    «Ich weiß nicht. Ich denke nicht, dass sie in weißen Kitteln und mit Rechenschiebern unter dem Arm durch die Gegend fahren, oder?»
    «Gutes Argument.»
    Auf dem Sitz des Jeep lag eine Karte, und hinten auf der Ladefläche stand eine Werkzeugkiste. «Zeig mir, wo ich Kammlers Ranch finde», sagte ich.
    «Wiederhold?» Geller entfaltete die Karte und deutete auf einen Ort südwestlich von Tucumán. «Hier. Ein paar Kilometer nördlich vom Rio Dulce. Ein Stück weiter südlich, und der Frost würde den Anbau von Zuckerrohr unmöglich machen. Auch in Tucumán wäre der Anbau nicht möglich, gäbe es nicht die Sierra de Aconquija.» Er nahm einen Zug an seiner Zigarette. «Du hast doch wohl nicht vor, hinzufahren?»
    «Nein. Ich will hierhin.» Ich zeigte auf eine der Lagunen des Río Dulce. «Nördlich von Andalgala. Zu einem Ort namens Dulce.»
    «Nie gehört», sagte Geller. «Es gibt den Río Dulce, aber einen Ort dieses Namens kenne ich nicht.»
    Gellers Karte war detaillierter als die, die ich in Buenos Aires erstanden hatte. Und er hatte recht – es gab keinen Ort namens Dulce. Nichts außer ein paar anonymen Lagunen. Trotzdem glaubte ichnicht, dass Melville gewagt haben könnte, mich auf eine falsche Fährte zu führen. Nicht nach den Drohungen, die ich gegen ihn ausgesprochen hatte.
    «Wie maßstabsgetreu ist diese Karte?», fragte ich.
    «Ziemlich. Sie basiert auf einer alten Maultiertreiberkarte. Bis zum Anfang des Jahrhunderts waren Maultiere die einzige Möglichkeit der Fortbewegung in dieser Gegend. In Santa, nördlich von hier, gab es einen Markt, auf dem bis zu sechzigtausend Maultiere im Jahr gehandelt wurden. Niemand kennt die Wege besser als die alten Treiber.»
    «Kann ich mir diese Karte ausleihen?»
    «Sicher. Sag bloß nicht, du hast deinen Täter gefunden», sagte er. «Diesen Mörder, den du die ganze Zeit gejagt hast.»
    «Etwas in der Art. Es ist besser, wenn du nicht mehr darüber weißt, Herbert. Nicht jetzt.»
    Geller zuckte die Schultern. «Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Er grinste. «Während du dir meinen Jeep ausleihst, treffe ich mich mit einer sehr attraktiven Frau, die hier in Tucumán am Institut für Anthropologie arbeitet. Ich denke, ich werde es ihr erlauben, mich in allen Einzelheiten zu studieren.»
     
    Ich versuchte Anna zu überzeugen, im Hotel zu bleiben, doch sie ließ nicht mit sich reden.
    «Ich habe dir schon einmal gesagt, Gunther – ich bin nicht der Typ, der zu Hause hinter dem Ofen sitzt und deine Socken stopft. Ich bin nicht Anwältin geworden, ohne es ein paar dummen Polizisten gezeigt zu haben.»
    «Für eine Anwältin bist du aber ziemlich leichtsinnig.»
    «Ich habe nie behauptet, dass ich eine gute Anwältin bin. Aber versteh mich richtig – ich habe die Sache angefangen, und ich beabsichtige, sie bis zum Ende durchzustehen.»
    «Weißt du was? Für eine Anwältin bist du eine verdammt schöne Frau. Ich möchte nicht, dass dir irgendetwas passiert.»
    «Behandeln alle Deutschen ihre Frauen, als wären sie aus Porzellan? Kein Wunder, dass ihr den Krieg verloren habt. Komm schon, machen wir, dass wir in den Wagen steigen.»
    Wir fuhren in südwestlicher Richtung aus der Stadt. Bald darauf befanden wir uns auf einer schmalen Piste, ein Schlagloch neben dem anderen. Auf beiden Seiten wuchs Zuckerrohr, Zuckerrohr so weit das Auge reichte, oben grün und darunter ein undurchdringliches braunes Dickicht. Das Zeug zog sich Kilometer um Kilometer hin, als wäre der Schöpfer selbst unvermittelt von jeglicher Phantasie verlassen gewesen.
    «Zuckerrohr. Das ist nichts anderes als riesiges Gras», sagte Anna.
    «Sicher. Ich möchte die Rasenmäher nicht sehen.»
    Von Zeit zu Zeit musste ich meine Fahrt verlangsamen, wenn vor uns plötzlich ein Dickicht aus Zuckerrohr auftauchte, das sich dann allerdings bei näherem Hinsehen als eine Herde schwerbeladener Mulis erwies. Anna war empört darüber, wie schwer die gequälten Kreaturen tragen mussten.
    Alle paar Kilometer passierten wir eine Ansammlung von Hütten aus

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