Das letzte Experiment
angemessen für unsere Zwecke. Es gab zwei französische Fenster, die auf einen Balkon hinausführten und Ausblick boten auf die hohen Sierras. Außerdem kam durch die Fenster ein Duft nach Orangenblüten ins Zimmer, eine willkommene Abwechslung zum allgegenwärtigen Gestank nach Pferdedung. Es gab ein großes Badezimmer – mit Ausblick auf den Rest der Suite –, in dem es zur Abwechslung nicht nach Abfluss stank, sondern nach Seife duftete. Am wichtigsten von allem jedoch war das Bett. Es war so groß wieMato Grosso. Nicht lange, und ich hatte einen Ausblick auf Annas nackten Körper und ihren Duft in der Nase, eine angenehme Abwechslung von meinem allgegenwärtigen Junggesellengeruch. Wir machten das Beste aus der Nacht. Jedes Mal, wenn ich aufwachte, griff ich nach ihr. Und jedes Mal, wenn sie aufwachte, griff sie nach mir. Wir schliefen nicht sehr viel. Das Bett war viel zu hart zum Schlafen, was mich jedoch nicht im Geringsten störte. Ich hatte nicht erwartet, dass der Aufenthalt in Tucumán mir so gut gefallen könnte.
Als der Morgen schließlich kam, nahm ich ein kaltes Bad, um wach zu werden. Danach bestellte ich uns ein Frühstück. Wir waren noch beim Essen, als Pedro Geller anrief und mich informierte, dass er unten in der Hotellobby auf mich wartete. Ich ging allein nach unten. Je weniger Leute wussten, wie viel Anna wusste, desto besser, sagte ich mir. Geller und ich gingen nach draußen, wo er den Jeep geparkt hatte.
«Ich hab herausgefunden, wo Skorzeny wohnt», sagte er. «Auf einer großen Ranch in einem Ort, der sich Wiederhold nennt. Sie gehört einem reichen Zuckerbaron namens Luis Freiburg. Und wenn ich sage reich, dann meine ich reich. Er hat Millionen an Entschädigung kassiert, als ein paar tausend Hektar seines Lands von der Regierung enteignet wurden als Bestandteil ihres hydroelektrischen Projekts. Das Land wird vollkommen überflutet, wenn der Quiroga-Staudamm erst fertig ist.» Geller lachte. «Und jetzt kommt der interessante Teil: Wie sich herausstellt, ist dieser Freiberg niemand anderes als dein S S-Brigadeführer , von dem du mir erzählt hast.»
«Du meinst Hans Kammler?»
«Genau der. Nach Riccardos Worten war Kammler im Dritten Reich als Ingenieur für sämtliche größeren Bauprojekte verantwortlich, beispielsweise Dora Mittelbau und all die Vernichtungslager wie Auschwitz und Treblinka. Er hat ein Vermögen verdient dabei. Ja, er war ein beeindruckender Mann, dein Kammler. Riccardo haterzählt, dass Himmler ihn für einen seiner fähigsten und talentiertesten Männer hielt.»
«Das alles hat dir Riccardo erzählt?»
«Er kann recht gesprächig werden, wenn er ein paar über den Durst getrunken hat», sagte Geller. «Gestern Abend kamen wir aus dem technischen Büro von CAPRI in Cadillal, als wir einen großen weißen Amischlitten sahen mit Skorzeny hinter dem Steuer. Riccardo hat Kammler sofort erkannt.»
«Wie sah er aus? Kammler, meine ich.»
«Dünn, mager, Hakennase. Ungefähr fünfzig Jahre alt. Raubvogelartig, könnte man sagen. Er hatte seine Frau und seine Tochter bei sich. Aus Deutschland, nehme ich an. Das ist einer der Gründe, warum Riccardo ihn hasst. Weil er seine Frau und seine Tochter bei sich hat. Obwohl ich eher glaube, Riccardo ist neidisch auf jeden, der mit massenweise Geld in den Taschen aus Deutschland abhauen konnte. Oder der ein besseres Leben in Argentinien führt als er selbst. Dich eingeschlossen.»
«Hat Riccardo eine Vermutung geäußert, was Skorzeny bei Kammler will?»
«Ja.»
Geller blickte für einen Moment betrübt drein. Ich bot ihm eine Zigarette an. Er nahm sie, ließ sich von mir Feuer geben und schwieg weiter.
«Komm schon, Herbert», sagte ich, indem ich ausnahmsweise seinen richtigen Vornamen benutzte, und steckte mir selbst ebenfalls eine an.
Geller seufzte. «Das ist wirklich streng geheim, Bernie. Ich meine, selbst Riccardo hat sich gewunden, als er es mir erzählt hat.»
«Riccardo windet sich doch ständig.»
«Sicher. Er hat Angst, dass seine Vergangenheit ihn einholen könnte. Haben wir doch alle, oder nicht? Selbst du, denke ich. Aber das hier ist nicht die Vergangenheit. Das ist die Gegenwart. Hast du schon mal was von Projekt Pappel gehört?»
«Pappel? Du meinst wie der Baum?»
Geller nickte. «Ganz genau. Wie es aussieht, will Perón eine Atombombe bauen. Gerüchten nach, die in CAPRI kursieren, soll Kammler der Leiter von Peróns Atomwaffenprogramm sein, genau wie in Deutschland im Riesengebirge und in
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