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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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müssen unverfänglich erscheinen.»
    «Sie kennen die Deutschen nicht», entgegnete ich. «Für Nazis gibt es keine unverfänglichen Fragen.»
    «Das Rote Kreuz ist eine bewundernswerte Institution», sagte der Colonel. «Trotzdem, wenn man Argentinien jemals wieder verlassen will, nach Deutschland reisen, beispielsweise   –, dann benötigt man einen argentinischen Pass. Und um einen argentinischen Pass zu erhalten, braucht man ein von den argentinischen Behörden ausgestelltes Führungszeugnis. Erst mit diesem Zeugnis können Sie bei Gericht einen Pass beantragen. Es wäre doch eine gute Tarnung, wenn wir sagen, dass Sie für den argentinischen Geheimdienst Informationen über Ihre früheren Kameraden sammeln, damit entschieden werden kann, wer ein gutes Führungszeugnis bekommt. So kommen Sie gefahrlos an die gewünschten Informationen heran. Ich wage zu behaupten, Herr Gunther, dass die meisten von ihnen nur zu bereitwillig auf all Ihre Fragen antworten werden, ganz gleich, wie impertinent sie ihnen erscheinen mögen. Eine solcheRolle verschafft Ihnen die perfekte Legitimation. Schließlich – wer von Ihren alten Kameraden will nicht irgendwann einen Pass mit einem neuen Namen?»
    «Es könnte funktionieren», räumte ich ein.
    «Selbstverständlich wird es funktionieren. Wie ich bereits sagte, Sie erhalten einen Schreibtisch in der Casa Rosada – wo sich auch das Hauptquartier des SIDE befindet. Sie bekommen einen Wagen, Spesen, ein Gehalt und einen echten SID E-Dienstausweis . Sie sind mir direkt unterstellt. Berichten Sie mir über alles, was Sie herausfinden, ganz gleich, wie belanglos es Ihnen erscheinen mag. Dr.   Pack ist in zwei Wochen wieder hier. Sie können dann zu ihm. Aus offensichtlichen Gründen jedoch hätte ich es gern, dass Sie unverzüglich mit Ihren Nachforschungen beginnen. Eine Liste der Namen und Adressen Ihrer alten Kameraden erhalten Sie in der Casa Rosada. Fuldner und die DAIE haben uns Informationen gegeben, wer diese Leute früher in Deutschland waren. Was sie getan haben und wann. Trotzdem muss ich viel mehr über sie herausfinden, um einzuschätzen, wie groß das Sicherheitsrisiko und die Gefahr zukünftiger diplomatischer Verwerfungen für uns sind. Sie können die Unterlagen im Verlauf Ihrer Arbeit vervollständigen. Klar so weit?»
    «Ja. Ich denke schon.»
    «Ich nehme an, Sie möchten als Erstes mit den Eltern des vermissten Mädchens sprechen?»
    «Ja. Das wäre sicher ein guter Anfang.»
    Der Colonel nickte. Er öffnete eine kleine Schublade im Tisch und zog eine lederne Aktentasche hervor. Aus einem Fach der Tasche nahm er eine Pistole, bevor er den Inhalt auf den Schreibtisch schüttete.
    «Eine halbautomatische Pistole der Marke Smith & Wesson. Eine Schachtel Munition. Ein Schulterhalfter. Ein Führerschein, ausgestellt auf den Namen Carlos Hausner. Ein SID E-Dienstausweis auf den Namen Carlos Hausner. Ein Sicherheitsausweis für die Casa Rosada auf den Namen Carlos Hausner. Ein SID E-Handbuch – Sie sollten es sorgfältig lesen. Einhunderttausend Pesos in bar. Sie bekommen mehr, wenn Sie es brauchen. Quittungen sind erforderlich, wo möglich. Im Handbuch finden Sie ausführlich erläutert, wie die Spesenformulare auszufüllen sind. Alles andere – die Unterlagen der DAIE über die deutschen Einwanderer, die Akten der Kripo und der Gestapo vom Alexanderplatz – finden Sie in Ihrem Aktenschrank in der Casa Rosada.»
    Ich nickte wortlos. Es hatte wenig Sinn, den Colonel zu fragen, wie es kam, dass offensichtlich all das bereits fix und fertig arrangiert gewesen war, bevor ich die Polizeistation auch nur betreten hatte. Er war so sicher gewesen, dass ich mitmachen würde. Ich war versucht, ihm zu sagen, er solle sich zum Teufel scheren. Ich hasste es, so benutzt zu werden. Doch ich hasste meine Krankheit noch viel mehr. Wie konnte ich da nein sagen? Wir wussten beide, dass mir keine andere Wahl blieb. Nicht, wenn ich die bestmögliche ärztliche Behandlung wollte.
    Er kramte in seiner Tasche und reichte mir einen Wagenschlüssel. «Der hellgrüne Chevrolet, mit dem wir hergekommen sind», sagte er.
    «Meine Lieblingsmarke», sagte ich.
    Er erhob sich. «Sie können doch fahren, oder?»
    «Ja.»
    «Sehr gut. Dann fahren Sie uns jetzt nach Retiro.» Er warf einen Blick auf seine Uhr. «Man erwartet uns bereits, also machen wir uns besser auf den Weg.»
    «Bevor wir fahren, würde ich gern einen zweiten Blick auf die Leiche werfen», sagte ich.
    Der Colonel zuckte die

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