Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
Mitgliedschaft bei der NSBAG meint, der Nationalsozialistischen Beamten-Arbeitsgemeinschaft – das ist etwas völlig anderes. Man muss nicht Mitglied in der Partei sein, um bei der NSBAG Mitglied zu sein.»
    «Ich habe das Gefühl, wir kommen vom Thema ab», sagte Isidor. «Ich möchte mich gern darüber unterhalten, welche Bedeutung der Fall für Herrn Daluege hat, der mit der Familie Schwarz verwandt und, wie Sie wissen, als zukünftiger Polizeipräsident im Gespräch ist. Schon allein deshalb sind wir darauf bedacht, jede mögliche Verlegenheit für Herrn Daluege zu vermeiden.»
    «Ich dachte eigentlich immer, es müsste zuerst einmal eine Wahl geben, bevor diese Möglichkeit auch nur in Betracht gezogen wird, Herr Präsident», sagte ich. «Tatsächlich habe ich mich darauf verlassen, dass es so ist. Ich glaube, vielen Leuten geht es genauso. Sie eingeschlossen, wenn ich mich nicht irre. Aber vielleicht ist es nur wieder mein altmodisches Denken. Ich hatte immer geglaubt, dass unsere Aufgabe der Schutz der Republik ist und nicht der Schutz des Rufs solcher Halunken wie Daluege und Schwarz.»
    «Nicht altmodisch, Bernie», sagte Gennat. «Aber vielleicht ein wenig naiv. Ungeachtet dessen, was die Wahl im Juli ergibt, wird dieses Land sich irgendwie mit den Nationalsozialisten arrangieren müssen. Ich wüsste nicht, wie sich sonst die Anarchie vermeiden ließe.»
    «Wir wollen schließlich nur das Beste für die Berliner Polizei», fügte Isidor hinzu. «Ich denke, das wollen wir alle. Und es steht im besten Interesse der Berliner Polizei, wenn wir diese Angelegenheit sensibler angehen.» Isidor schüttelte den Kopf. «Sie sind aber nicht sensibel, Bernie. Ganz und gar nicht. Sie sind nicht diplomatisch. Sie trampeln daher wie ein Elefant.»
    «Wollen Sie mir den Fall entziehen? Ist es das?», fragte ich ihn.
    «Niemand will Ihnen den Fall entziehen, Bernie», sagte Gennat. «Sie sind einer der besten Ermittlungsbeamten, die wir haben. Ich muss es wissen, ich habe Sie schließlich selbst ausgebildet.»
    «Aber wir denken, es könnte nützlich sein, Arthur mit an Bord zu nehmen», sagte Isidor. «Er soll sich um die Feinheiten der Beziehungen zwischen Polizei und Öffentlichkeit kümmern.»
    «Sie meinen, wenn es darum geht, mit Idioten wie Otto Schwarz und seiner Frau zu reden», sagte ich.
    «Ganz genau», sagte Isidor. «Ich hätte es selbst nicht besser formulieren können.»
    «Nun ja   … ich bin selbstverständlich sehr dankbar für jede Hilfe in dieser Hinsicht», sagte ich und lächelte Nebe an. «Ich denke, ich muss mich einfach etwas zusammenreißen, wenn ich mit Ihnen rede, Arthur.»
    Nebe lächelte sein gekünsteltes Lächeln. Es schien unmöglich, ihn zu provozieren. «Da wir alle am selben Strang ziehen   …»
    «Ganz bestimmt!», murmelte ich.
    «…   macht es Ihnen sicherlich nichts aus, uns mitzuteilen, was Sie bisher herausgefunden haben.»
    Ich erzählte nicht alles, doch ich erzählte eine ganze Menge. Ich erzählte ihnen von der Autopsie und von der Prontosil-Pille und von den fünfhundert Mark, und ich erzählte ihnen, dass Anita Schwarz auf den Strich gegangen war und dass ich den Verdacht hatte, dass ihr Mörder ein Freier war, der sich einen Schanker eingefangen hatte und der es einer Nutte heimzahlen wollte, und dass er sich Anita Schwarz herausgesucht hatte, weil ihre Behinderung sie zu einem leichten Opfer gemacht hatte, und dass ich möglicherweise, sobald ich mit Dr.   Kassner von der Urologischen Klinik am Städtischen Krankenhaus Friedrichshain gesprochen hätte, eine Liste mit Verdächtigen erhalten könnte. Ich erwähnte nicht, dass ich diese Liste bereits besaß. Und ich erwähnte auch mit keinem Wort, was ich über Joseph Goebbels herausgefunden hatte.
    «Sie werden nichts aus diesem Arzt herauskriegen», sagte Gennat. «Nicht einmal mit einem Gerichtsbeschluss. Er sitzt auf seinem dicken, fetten Ärztehintern, beruft sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht und sagt Ihnen, dass Sie hingehen sollen, wo der Pfeffer wächst.»
    Das klang einigermaßen amüsant aus dem Mund eines Mannes, dessen eigener dicker, fetter Hintern jedes Schlachtschiff vor Neid erblassen ließ.
    «Und er hätte jedes Recht dazu, wie Sie sicherlich wissen.»
    Ich erhob mich und nickte. «Normalerweise würde ich mit Ihnen übereinstimmen. Aber ich denke, Sie haben etwas vergessen.»
    «Und was wäre das?»
    «Sie haben vergessen, dass der gute Arthur Nebe nicht der einzige Polizist vom Alex ist, der

Weitere Kostenlose Bücher