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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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verhaftet.»
    «Nun ja, selbstverständlich würden wir nur zu gern unseren ältesten Sohn Kjeld besuchen», gestand Vaernet. «Er lebt in Dänemark.» Er lächelte bei dem Gedanken. «Sosehr uns das Leben hierin Buenos Aires gefällt, die Heimat bleibt doch immer die Heimat, stimmt es nicht, Herr Hausner?»
    Wir saßen im Wohnzimmer. Auf dem Klavier standen eingerahmte Fotografien. Auf einer waren die Peróns und ihre Pudel zu sehen – Eva hielt den schwarzen, Juan den weißen auf dem Arm   –, und die beiden sahen aus wie eine Werbung für Scotch Whisky.
    Vaernets Frau servierte Tee und
facturas
, kleines süßes Gebäck, das bei den
porteños
sehr beliebt war. Frau Vaernet war groß, dünn und nervös. Ich nahm einen Block und einen Stift aus der Tasche und versuchte, wie ein richtiger Bürokrat dreinzublicken.
    «Geburtsdatum und Geburtsort?», fragte ich.
    «28.   April 1893.   Kopenhagen.»
    «Ich selbst habe am 20.   April Geburtstag», sagte ich. Als er mich begriffsstutzig anstarrte, fügte ich hinzu: «Der Geburtstag des Führers.» Das stimmte natürlich nicht, doch es war ein guter Trick, Männern wie ihm vorzugaukeln, ich wäre ein hartgesottener Nazi und deshalb jemand, dem sie vertrauen konnten.
    «Selbstverständlich. Wie töricht von mir, das zu vergessen.»
    «Nun, ich bin in München geboren. Waren Sie schon mal in München?»
    «Nein.»
    «Wunderschöne Stadt. Das heißt, wenigstens war sie wunderschön.»
    Nach einer Reihe belangloser Fragen kam ich auf den Punkt. «Viele Deutsche sind nach Argentinien gekommen in der Annahme, die Regierung würde sich nicht für ihre Vergangenheit interessieren und sich nicht um das scheren, was sie in Europa getan haben. Ich fürchte, das stimmt so einfach nicht. Zumindest stimmt es nicht mehr. Die Regierung beurteilt einen Mann nicht nach dem, was er während des Krieges getan hat. Die Vergangenheit ist vergangen. Was auch immer Sie getan haben, Sie werden hierbleiben können. Doch Sie werden verstehen, dass die Regierung niemandem einen Pass ausstellen möchte, der sie hinterher vielleicht in Verlegenheitbringt. Das ist alles. Sie können vollkommen vertraulich mit mir sprechen. Vergessen Sie nicht, ich war Offizier bei der SS, genau wie Sie. Meine Ehre ist die Treue. Ich bitte Sie eindringlich, seien Sie offen, Dr.   Vaernet.»
    Vaernet nickte. «Ich schäme mich ganz gewiss nicht für das, was ich getan habe!», sagte er.
    An dieser Stelle erhob sich seine Frau und verließ den Raum, weil sie die Reden ihres Mannes nicht mehr hören wollte. Ich konnte es ihr nicht verübeln.
    «Meine Versuche, Homosexuelle chirurgisch zu heilen, waren nach Aussagen des Reichsführers Himmler von größter nationaler Bedeutung für das Ideal der Reinheit von Rasse und Geist», sagte er ernst. «In Buchenwald habe ich Tunten Hormonbriketts in den Schritt implantiert. All meine Patienten wurden von ihrer Homosexualität geheilt und später in ein normales Leben entlassen.»
    Es folgte eine ganze Serie derartiger Aussagen. Mir wurde bewusst, dass Vaernet eine gewissenlose Kreatur war, schließlich waren seine Menschenversuche nichts anderes als abscheulich gewesen – dennoch war ich nicht überzeugt, dass er ein Psychopath war, der aus rein teuflischer Lust ein fünfzehnjähriges Mädchen ausweiden konnte.
    Auf dem Piano – gleich neben dem Foto der Peróns – stand eine Fotografie eines jungen Mädchens, etwa im gleichen Alter wie Fabienne von Bader. Ich nahm das Bild zur Hand. «Ihre Tochter?», fragte ich.
    «Ja.»
    «Sie geht zur gleichen Schule wie Fabienne von Bader, wenn ich mich nicht irre?»
    Vaernet nickte. «Das ist richtig.»
    «Sie haben selbstverständlich von Fabiennes Verschwinden gehört.»
    «Ja. Selbstverständlich.»
    «Waren die beiden befreundet?»
    «Nein, offen gestanden nicht.»
    «Hat Ihre Tochter davon gesprochen?»
    «Ja. Aber nichts Wichtiges, verstehen Sie? Wäre es von Bedeutung gewesen, hätte ich natürlich sofort die Polizei gerufen.»
    «Natürlich.»
    Er zuckte die Schultern. «Die Polizei hat eine Menge Fragen über Fabienne gestellt.»
    «Die Polizei war hier?»
    «Ja. Offenbar glauben die Beamten, Fabienne sei von zu Hause weggelaufen. So kam es meiner Frau und mir jedenfalls vor.»
    «Kinder tun so etwas hin und wieder. Nun ja.» Ich wandte mich zur Tür. «Ich denke, ich gehe besser wieder. Ich danke Ihnen für Ihre Zeit. Eine letzte Sache noch. Wir hatten darüber gesprochen, dass Sie sich tadellos führen und Ihren guten

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