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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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die sie benutzte. Es handelte sich um eine einfache Hundehütte aus Metall, deren Tür mit einer Gummidichtung versehen war. Geralda erklärte, dass sie die Tiere, sobald sie tot waren, im Heizungsofen nebenan verbrannte. Sie schien stolz auf ihre Arbeit zu sein und redete so gut gelaunt darüber, als hätte sie noch nie vom Judenmord gehört. Angesichts des S S-Hintergrunds von Olmos konnte ich mir vorstellen, dass ihr Ehemann sie auf diese Idee gebracht hatte.
    Ich stellte ihm die gleiche Frage wie zuvor Vaernet. Gab es jemanden unter unseren alten Kameraden in Argentinien, der ihm nicht ganz geheuer war?
    «O ja», erwiderte Olmos eifrig, und mir dämmerte allmählich, dass es unter den alten Kameraden nicht viel Treue gab. «Da gibt es jemanden! Er ist wahrscheinlich der gefährlichste Kerl, dem ich jemals begegnet bin, überall auf der Welt. Sein Name lautet Otto Skorzeny.»
    Ich bemühte mich, nicht überrascht dreinzublicken. Selbstverständlich hatte ich den Namen Skorzeny schon einmal gehört. Welcher Deutsche hatte nicht von der waghalsigen Aktion am Gran Sasso gehört, bei der deutsche Fallschirmjäger Mussolini aus seinem Gefängnis befreit hatten? Ich erinnerte mich sogar an Fotos von Skorzenys vernarbtem Gesicht in sämtlichen Magazinen, als Hitler persönlich ihm das Ritterkreuz überreicht hatte. Er sah aus wie ein gefährlicher Mann, so viel stand fest. Das Dumme war nur: Skorzenys Name stand nicht auf der Liste, die ich von Colonel Montalban erhalten hatte, und bevor Olmos ihn erwähnt hatte, war mir nicht bewusst gewesen, dass er noch lebte, geschweige denn in Argentinien. Ein skrupelloser Mörder, ja. Aber ein Psychopath? Ich beschloss, Montalban nach Skorzeny zu fragen, wenn ich ihn das nächste Mal traf.
    In der Zwischenzeit war Olmos ein weiterer Mann eingefallen, der seiner Meinung nach kein Zeugnis für gute Führung erhalten solle. Über die Rattenlinie waren auch bekannte Namen nach Argentinien gekommen. Der Mann, den Olmos nannte, hieß Kurt Christmann.
    Christmann weckte deswegen mein Interesse, weil er aus München stammte und 1907 geboren war, womit er zum Zeitpunkt des Mordes an Anita Schwarz fünfundzwanzig Jahre alt gewesen war. Er war inzwischen dreiundvierzig, Rechtsanwalt und arbeitete für die Banco Fuldner auf der Avenida Cordoba. Christmann wohnte in einer komfortablen Wohnung an der Esmeralda. Nachdem ich beiihm geklingelt hatte, dauerte es keine fünf Minuten, bis er ganz oben auf meiner Liste der Verdächtigen stand.
    Christmann hatte in der Ukraine ein Tötungskommando befehligt. Ich war selbst ebenfalls eine Weile in der Ukraine gewesen, womit wir gleich ein Gesprächsthema hatten. So konnte ich sein Vertrauen gewinnen und ihn zum Reden zu bringen.
    Blond, mit einer randlosen Brille und den schlanken Händen eines Musikers sah er nicht gerade wie eine Bestie aus. Eher wie jemand, der still und leise mit ein paar Büchern unter dem Arm durch eine juristische Bibliothek schlich. Vor seinem Beitritt zur SS 1942 hatte er in Wien, Innsbruck und Salzburg für die Gestapo gearbeitet. Er wirkte wie ein ehrgeiziger, ordensbesessener Nazis. Nicht so sehr Blut und Eisen als vielmehr Bakelit und Bleiche.
    «Dann waren Sie also auch in der Ukraine», sagte er in kameradschaftlichem Ton. «In welchem Teil?»
    «In Weißreußen. Minsk. Lwow. Lutsk. Überall.»
    «Wir waren im Süden», sagte er. «Krasnodar und Stawropol. Und im nördlichen Kaukasus. Das Kommando wurde geführt von Otto Ohlendorf und von Beerkamp. Meine Einheit wurde von einem Offizier namens Seetzen befehligt. Ein netter Kerl. Wir hatten drei Gaswagen zur Verfügung, zwei große Saurer und einen kleinen Diamant. Hauptsächlich hatten wir Krankenhäuser und Heime zu säubern. Die Kinderheime waren am schlimmsten. Nicht dass Sie denken, es wären normale, gesunde Kinder gewesen, beileibe nicht. Es waren Zurückgebliebene, Schwachsinnige, Geisteskranke. Bettlägerig und hilflos. Tot besser dran als lebendig, wenn Sie mich fragen. Insbesondere angesichts der Art und Weise, wie die Popows sich um sie kümmerten, nämlich so gut wie überhaupt nicht. Die Bedingungen in manchen dieser Heime waren entsetzlich. In gewisser Hinsicht war es eine Gnade für sie, dass wir sie vergast haben. Wir haben sie von ihrem Elend erlöst. Mit einem verletzten Pferd hätte man das Gleiche getan.»
    Er hielt inne, als erinnerte er sich an die eine oder andere grauenhafteSzene, die er beobachtet hatte. Ich hätte um nichts in der Welt mit seinen

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