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Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)

Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Fux
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kannst du eigentlich Türkisch?«, wollte Theo misstrauisch wissen.
    »Ach weißt du, es gab da mal so ein wirklich reizendes Mädchen …«
    »Klappe«, sagte Theo und knuffte den Freund in die Seite.
    Theo begleitete Lars noch auf einen Sprung in seine Werkstatt. Während draußen der Schnee herunterrieselte, saßen sie in abgewetzten Ohrensesseln und lasen sich gegenseitig aus einem alten Buch mit deutschen Balladen vor, das Lars vor Kurzem aufgestöbert hatte. Theo deklamierte Goethes »Erlkönig«, Lars trug »Die Kraniche des Ibykus« vor.
    Als Theo schließlich ging, war es kurz vor Mitternacht. Er zog sein Handy aus der Tasche und rief Hadices Nummer auf, die er vorhin eingespeichert hatte. Kurz entschlossen drückte er auf die grüne Wahltaste, brach die Verbindung dann aber sogleich wieder ab.
    Am nächsten Tag rief sie an. »Negativ«, sagte sie. »Die Blutanalysen haben nur ein wenig Barbiturat aufgewiesen.«
    »Betäubungsmittel? Das ist doch was«, fand Theo.
    »Es war aber weit entfernt von einer tödlichen Dosis.«
    »Hätte es gereicht, damit sie, ohne es zu merken, erfriert?«
    »Nein, sie muss es Stunden vor ihrem Tod zu sich genommen haben. Die verbliebene Menge hätte sie maximal ein wenig schläfrig gemacht.«
    »Das heißt, es gibt auch keine Morduntersuchung«, argwöhnte Theo.
    »Wohl nicht.« Hadice klang bedauernd. »Die Frau, die sie gefunden hat, hat ausgesagt, dass sie Anna Florin regelmäßig an der Bunthäuser Spitze getroffen hat. Auch am Abend. Es deutet einfach nichts auf ein Verbrechen hin.«
    »Bis auf den Pieks«, sagte Theo verbittert.
    »Ich kann da nichts machen«, sagte Hadice ruhig. »Ihr könnt sie wieder abholen.«
    Schon in drei Tagen sollte Anna eingeäschert werden. Erik Florin bestand auf einen schnellen Termin. Ihm steckte der Schock des Mordverdachts noch in den Knochen. Am liebsten wollte er die ganze Sache schleunigst vergessen, um sich den zwiespältigen Gefühlen gegenüber seiner ihm fremd gebliebenen Mutter zu widmen. Theo versuchte, ihn zu einer Erdbestattung zu überreden.
    »Damit die sie irgendwann wieder ausgraben können!« Eriks erzürntes Knurren sauste durch die Leitung von Hannover nach Hamburg. »Das fehlt mir gerade noch.«
    So stand Theo am Morgen des 18. Dezembers vor Annas schlichtem Kiefernholzsarg.
    »Hatte die alte Dame eine Chemotherapie?«, hatte Michel Adler, der Leiter des Krematoriums, am Vortag wissen wollen. Theo hatte verneint. »Dann kann ich sie übermorgen noch dazwischenquetschen.« Theo wusste um den seltsamen Umstand, dass Menschen, die kurz zuvor eine Chemotherapie bekommen hatten, sehr viel langsamer zu Asche wurden. Rund eine Stunde länger dauerte es, bis nur noch die porösen Knochen übrig waren – zweieinhalb statt anderthalb Stunden bei einer Frau und drei statt zwei Stunden bei einem Mann. Theos Arztkollegen hatten diesen Umstand stets als Unfug abgestempelt und in den Bereich der Gruselmythen verbannt. Theo wusste es besser. Krebspatienten brannten schlecht. Als ob die Medikamente, die den Körper am Leben halten sollten, ihn nun im Tod länger an den Planeten fesselten.
    Erik, seine Frau Renate und ihre Tochter Johanna waren aus Hannover angereist. Mit ihnen kam Johannas Töchterchen Elise, genannt Entchen, ein siebenjähriges, ausgesprochen energisches Persönchen mit dunkelroten Wuschellocken. Die würde sich hervorragend mit Lilly verstehen, dachte Theo sofort. Entchen hatte sich erfolgreich durchgesetzt, als ihre Großeltern gezögert hatten, sie an der Abschiednahme am offenen Sarg teilnehmen zu lassen. »Ich will Uromi auch Auf Wiedersehen sagen«, hatte die Kleine entrüstet protestiert.
    Theo und May hatten Anna in einem Raum im Institut aufgebahrt. Auf einem Stuhl stehend hatte Entchen die kühle Wange der Toten gestreichelt.
    »Fühlt sich komisch an«, hatte sie verkündet. Sie hatte ein Bild in den Sarg gelegt, auf dem eine bunt gekleidete Person – zweifellos Anna – von einer großen himmelblauen Wolke auf die Erde spähte. Unten stand eine Versammlung von krakeligen Figuren, die offenbar Entchen und ihre Familie darstellen sollte, sowie ein vierbeiniges schwarzes Etwas, das Entchen auf Nachfrage entrüstet als »Kater Carlo, das sieht man doch!« identifizierte.
    »Wie kann Uromi denn jetzt hier im Sarg liegen und gleichzeitig im Himmel sein?«, grübelte sie.
    »Das ist wie bei der Schlangenhaut, die wir im Urlaub gefunden haben«, sagte ihre Mutter leise. Sie war eine rothaarige, hübsche Frau,

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