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Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)

Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Fux
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Für die »Kirchdorfer«, wie sich die Einwohner des alten Siedlungsteils von Wilhelmsburg nennen, bot das Trio seit Jahren ein vertrautes Bild. Anfangs hatten viele die Zottelriesen misstrauisch beäugt, die auf den Hinterbeinen stehend einen ausgewachsenen Mann mühelos überragten. Inzwischen ließen sie sogar ihre Kinder auf den Rücken der gutmütigen Tiere reiten.
    An diesem Wintermorgen stiegen aus den Mäulern der Hunde dichte weiße Wolken empor. Der Eishauch der Nacht hatte die letzen Beeren und Blätter, die sich noch an die Sträucher klammerten, mit einer dicken Schicht Raureif überzogen. In der Morgensonne funkelten die Früchte wie rosafarbene Kristalle.
    Karfunkelsteine, dachte Heide. Spontan beschloss sie, die große Runde zu drehen und bis zu ihrem Lieblingsplätzchen am Leuchtturm zu fahren. Zügig radelte sie die von kleinen Häuschen gesäumte Kornweide herunter, während sich linkerhand die berüchtigten Betonbauten von Kirchdorf Süd türmten. Anfang der 70er-Jahre hatte man die Sozialsiedlung mitten auf der grünen Wiese errichtet. Heide, die damals Lehrerin in der benachbarten Grundschule am Stübenhofer Weg gewesen war, hatte die Arbeit der gigantischen Kräne mit Kummer und Unbehagen verfolgt. In ihren ersten Berufsjahren hatte die Schule noch direkt an einen Bauernhof gegrenzt, aus dem von Zeit zu Zeit ein paar Schweine ausgebrochen waren und unter aufgeregtem Gekreische der Kinder über den Schulhof galoppierten. Zwar gab es noch immer Wiesen und Pferdekoppeln in Sichtweite der Schule, doch die drohende Silhouette der Hochhäuser trübte das Idyll empfindlich.
    Statt über die breite Otto-Brenner-Straße radelte Heide lieber direkt durch das alte Kirchdorf. Hier waren unter Adolf Hitler Doppelhaushälften im Fachwerkstil für die Wilhelmsburger Industrie- und Hafenarbeiter errichtet worden. Die winzigen Häuschen besaßen große Gärten, in denen die Menschen Obst und Gemüse anbauen konnten. Inzwischen war von dem ursprünglichen Fachwerk nicht mehr viel zu sehen. Die Bewohner hatten mit mehr oder weniger viel Geschmack an- und umgebaut, sodass von der einstigen Reihenhausstereotypie nicht mehr viel übrig war. Jetzt reihten sich hier Plattenverschalungen aus den 70er-Jahren an roten und gelben Klinker aus den 80ern, und Butzenscheiben wechselten sich mit Panoramafenstern ab.
    Die Hauptstraße querend ließ Heide auch diese Enklave hinter sich. Sie schaltete in den niedrigsten ihrer drei Gänge und überwand die sanfte Steigung am Friedhof Finkenriek vorbei hinauf zum Deich. Hier duckten sich reetgedeckte Bauernhäuser hinter den Schutzwall aus Geröll, Erde und Gras. Oben auf der Deichkrone ließ Heide die Hunde laufen. »Achte den Deich, er schützt dich«, war auf der Messingtafel einer Bank eingraviert. Froh um ihre dicken Gummireifen holperte sie über den Deich, vorbei an der Bushaltestelle, die bei Sturmflutgefahr als Sammelpunkt fungieren sollte.
    Drei Kilometer weiter machte die Straße eine scharfe Kehre. Hier erstreckten sich die Gebäude eines Schullandheims, in das Heide regelmäßig Tagesausflüge mit ihren Erstklässlern unternommen hatte. Sie hatte noch das Gekreisch der Kinder im Ohr, die im Elbsand ihre Burgen bauten. Damals war der angespülte Schaum noch schmutzig braun gewesen. Inzwischen konnte man in der Elbe wieder baden.
    Sie streifte die Handschuhe ab, um mit klammen Fingern das Zahlenschloss des Fahrrads zu schließen. Dann lief sie zügig in Richtung Bunthäuser Spitze, dem Ziel ihres Ausflugs. Hier teilte sich der Fluss in Norder- und Süderelbe, die Wilhelmsburg umspülten. Am äußersten Punkt der Landzunge thronte ein spielzeugkleiner, rot und grün lackierter Leuchtturm, den Hilde schon als Kind geliebt hatte.
    Carla und Cleo pflügten mit ihren Nasen raschelnd durch das erstarrte Laub unter den Hecken am Wegesrand. Überall witterten sie aufregende Düfte. Plötzlich hob Carla mit einem Ruck den mächtigen Schädel und sog prüfend die kalte Luft ein, die Augen fest auf den Leuchtturm geheftet. Dann fiepte sie leise. Auch Cleo zog nun die Schnauze aus dem Laub und starrte gebannt in dieselbe Richtung. Ein plötzliches Unbehagen packte Hilde. Sie schirmte die Augen gegen die Strahlen der noch tief stehenden Sonne ab, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken.
    Kurz entschlossen schnappte sie sich ihre Hunde links und rechts an den schweren Lederhalsbändern und lief, ermutigt von der Kraft der mächtigen Körper, langsam die letzten fünfzig Meter bis

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