Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)
Behinderung.«
Er nickte.
»Und sogar der kleine Adolf, der nur in seinem Bett gelegen hat und nicht mal sprechen konnte, hatte ein Recht, am Leben zu bleiben. Der war mehr wert als Fatzer und seine gemeine Mörderbande zusammen.«
Er lachte nachsichtig.
»Dass wir uns um die Schwachen und Kranken kümmern, das macht uns doch erst zu Menschen«, sagte sie leise, aber hitzig. »Leute wie Fatzer, die treten das mit Füßen. Oder siehst du das vielleicht anders?«
»Kleine Anna«, sagte er freundlich. Zum ersten Mal legte er den Arm um sie. Er küsste sie zart auf die Schläfe. Anna war überrascht, wie sehr sie die Berührung tröstete.
»Natürlich ist deine Maja ein ganz besonderer Mensch. Ich glaube, die wird uns noch alle überraschen.«
»Hoffentlich hat sie dazu noch Gelegenheit.«
»Ich werde nicht zulassen, dass Fatzer ihr Gift verabreichen lässt. Versprochen. Und ich habe auch schon einen Plan.«
Kapitel 12
Das leere Bett
Donnerstag, 25. Dezember 2008
»Aber nein. Das ist sogar eine richtig gute Idee«, sagte Hanna gerade, als Theo mit Fatih im Schlepptau zurück ins Wohnzimmer kam.
Lars schüttelte abwehrend den Kopf. »Am ersten Weihnachtsfeiertag?«
»Frohes Fest allerseits«, sagte Fatih. Er trug einen alterssteifen schwarzen Persianer, den er vermutlich irgendeiner Großtante abgeluchst hatte, und war bleich wie ein Vampir.
»Na, du alter Muslim, Sehnsucht nach ein bisschen Weihnachtsatmosphäre?«
Fatih verzog das Gesicht. »Haben Sie eine Ahnung. Meine Mutter ist total versessen auf Weihnachten. Ich glaube, bei uns steht der größte Christbaum der Stadt im Wohnzimmer.«
»Hanna, das ist Fatih.« Theo schob den Jungen zu Hanna hinüber. »Er ist ein guter Freund von Anna gewesen. Fatih, das ist die geheimnisvolle Hanna Winter.«
»Ah, die von der E-Mail.« Fatih beäugte die Unbekannte neugierig.
»Hanna ist Journalistin. Sie will uns helfen.«
»Tatsache?« Fatih riss beeindruckt die kajalgeschminkten Augen auf. »Ich hoffe, ich platze hier nicht irgendwo rein.«
»Aber nein. Du bist der lebende Beweis auf zwei Beinen für meine Feiertagsfrust-Theorie.«
»Hanna findet, wir sollten gleich heute mit unserer Recherche weitermachen. Sie meint, wir sollen die Leute ganz einfach überfallen«, brachte Lars die anderen auf den Stand der Diskussion.
»Aber ja. Der erste Feiertag ist ideal.« Hanna schüttelte Lars’ Oberarm. »Verstehst du nicht? Heute ist der Weihnachtszauber verflogen. Die Geschenke sind ausgepackt, alle sind noch vollgestopft wie Weihnachtsgänse, und man fängt an, einander ernsthaft auf den Wecker zu gehen. Die Familien hocken aufeinander, das ist bei den meisten so. Manche hauen sich sogar die Schädel ein. Dazu gibt es Polizeistatistiken. Guck dir nur Fatih an, der hat auch schon die Nase voll.«
»Kann man wohl sagen. Aber meine Mutter ist auch eine Festtagsterroristin. Die reißt sich jedes kulturelle Event unter den Nagel, um einen Vorwand zu haben, die Familie zusammenzutrommeln. Einmal wollte sie sogar Jom Kippur feiern …«
»Das ist doch ein jüdischer Feiertag.«
»Eben. Das große Versöhnungsfest. Meine Mutter fand den Gedanken super. Aber da hat die gläubigere Verwandtschaft dann doch nicht mitgespielt.«
»Ich weiß nicht. An Weihnachten den Leuten mit einer Mordtheorie ins Haus zu fallen …« Lars war noch immer nicht überzeugt.
»Müssen wir ja nicht.« Hanna hob listig die Augenbrauenbalken. »Wir können sagen, wir sind einem Geheimnis auf der Spur. Das zieht immer«
»Also gut.« Theo griff sich eine Handvoll Spekulatius. »Wo fangen wir an?«
»Am einfachsten wäre es, wenn wir jemanden fänden, der Bergman selbst noch von früher kennt. Jemand, der damals auch in Eichenhof war.«
Theo und Fatih sahen einander an. »Line«, sagten sie im Chor.
Es zeigte sich, dass Hanna recht gehabt hatte. Als Theo etwas zögerlich bei den Lüders anrief, zeigte sich Emil Lüders ganz offenherzig. »Kommen Sie nur«, sagte er munter. »Meine Line hat heute einen guten Tag.«
Sie beschlossen, dass Hanna und Theo die Expedition übernehmen sollten. Der enttäuschte Fatih nahm ihnen das Versprechen ab, ihm alles haarklein zu berichten.
»Wir gehen zu Fuß«, schlug Theo vor. »Es ist nicht weit.«
Die Luft war frisch und kalt, und obwohl es erst halb vier war, brach die Dämmerung herein. Auf der kleinen Koppel von Theos Nachbarn standen zwei kleine Esel. Sie schauten gleichmütig zu den Spaziergängern hinüber, doch ihre flauschigen
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