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Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)

Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Fux
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purpurfarbenes Stromdelta durch den Staub auf ihrem Gesicht. Routiniert legte der Mann zwei Finger an Annas Halsschlagader. Ihr Puls flatterte etwas, war aber kräftig. Kurz überlegte er, ob er ihr einen zweiten, nunmehr tödlichen Hieb verpassen sollte. Er entschied, dass das unnötig war. Sie hatte ihn nicht gesehen, und sie würde lange genug bewusstlos bleiben, damit er erledigen konnte, was noch zu tun war. Überdies könnte eine zweite Verletzung jemanden misstrauisch machen, überlegte er.
    »Leb wohl, kleine Anna«, sagte er. »Kleine Anna«, so hatte Sven sie immer zu ihrem Missfallen genannt. Aber Sven von Vries lag tot unter den Trümmern. Der Mann grinste. Dann machte er sich an sein grausiges Werk.
    Als Anna die Augen öffnete, bohrten sich glühende Pfeile in ihr Hirn. Schnell schloss sie die Lider wieder.
    »Na, wieder wach, Schätzchen«, sagte eine warme Stimme. Anna überlegte. Sie kannte die Stimme, konnte sie aber nicht einordnen. Das Denken fiel ihr schwer. »Durst«, krächzte sie mit aufgesprungenen Lippen. Das kühle Wasser, das ihr in einer Schnabeltasse gereicht wurde, kam ihr vor wie reinster Göttertrank. Doch kaum erreichte die Flüssigkeit ihren Magen, krampfte sich ihr Körper zusammen, und eine Woge der Übelkeit beförderte den gesamten Inhalt heraus. Anna würgte und spuckte. Zum Glück hatte sie nichts als zwei Schluck Wasser und etwas Galle im Magen.
    »Da hast du dir wirklich eine schlimme Gehirnerschütterung eingehandelt«, sagte die Stimme mit sanftem Tadel.
    »Schwester Gertrud«, krächzte Anna.
    »Schlaf jetzt, Herzchen, danach wird es dir besser gehen.«
    Anna versank in dumpfen Schlummer.
    Als sie das nächste Mal erwachte, war der Empfang in der Wirklichkeit weniger freundlich. Ihr Blick fiel auf Ilse, die mürrisch an ihrem Bett hockte und in einer zerfledderten Modezeitschrift blätterte.
    »Wurde aber auch Zeit«, sagte Ilse. »Als hätten wir ohne dich nicht schon genug zu tun.« Anna verdrehte die Augen. Ein Fehler. Sofort bohrten sich wieder glühende Pfeile in ihren geschundenen Schädel.
    »Wie kann man auch so bekloppt sein und in ein Haus gehen, das kurz vor dem Zusammenkrachen ist.«
    Maja! Tränen traten Anna in die Augen. Sie fühlte sich schwach und elend.
    »Hättest sowieso niemandem mehr helfen können. Die sind alle mausetot. Auch der hübsche Sven von Vries …«
    Sven, dachte Anna. Sven, der Majas Schädel aufgebohrt hatte, um ihr gezielter Stromstöße verabreichen zu können. Sie musste wieder würgen.
    »Herrje.« Ungeduldig hielt Ilse ihr die Brechschale unter den Mund.
    »Wir machen große Fortschritte«, hatte Sven stolz erzählt. »Heute konnte ich zum ersten Mal von außen bestimmte Reflexe erzeugen. Zum Beispiel ein Zucken im gelähmten Arm. Das ist ein Durchbruch.«
    »Aber es geht doch darum, dass Maja ihren Körper kontrollieren kann, nicht du.« Sie hatte Maja vor sich gesehen, eine Marionette an unsichtbaren Fäden. Ihr hatte gegraust.
    »Eins nach dem anderen«, hatte er gesagt.
    »Irgendjemand war jedenfalls da«, murmelte sie. »In dem Trümmerhaus war außer mir noch jemand.«
    »Vermutlich der dicke Fritz. Der hat dich schließlich aus den Trümmern gezogen. Da wirst du in Zukunft wohl ein bisschen netter zu ihm sein müssen.« Ilses Schafsäuglein blitzten boshaft. Sie hatte genau mitbekommen, wie Fritz Anna verfolgt hatte. Und wie Anna das verabscheut hatte.
    Anna schloss die Augen. Dass Ilse sogar auf so einen üblen Verehrer neidisch sein konnte, fand sie unfassbar.
    Am nächsten Morgen war es wieder die mütterliche Schwester Gertrud, die Anna mit dezentem Geschirrgeklapper weckte.
    »Na, Herzchen, geht’s uns besser?«, fragte sie.
    »Ich glaube schon«, krächzte Anna.
    Die Schwester flößte ihr etwas lauwarmen Kamillentee ein. Diesmal protestierte Annas Magen nicht. Dann öffnete sie das Fenster. »Ein bisschen frische Luft wird dir guttun«, sagte sie.
    Von draußen wehten Glockenklänge in das Krankenzimmer.
    »Ist heute denn schon Sonntag?«, fragte Anna verwirrt.
    »Nein, Sonnabend.« Gertrud schwieg betreten. »Die Glocken läuten wegen der Beerdigung für die Bombenopfer.«
    »Stimmt es wirklich, dass alle tot sind?«
    »Von den Patienten hat keiner überlebt. Und den einen Doktor hat es auch erwischt.«
    »Ich weiß«, nickte Anna. »Sven.«
    Mitfühlend legte Gertrud ihr die Hand auf die Schulter.
    »Den hast du gern gehabt, nicht wahr?«
    Anna schüttelte den Kopf und ignorierte die Schmerzattacke, die sie damit

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