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Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)

Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Fux
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Zimmer nicht so aus, als sei in den vergangenen Monaten jemand hier gewesen. Die letzten Sonnenstrahlen verwandelten den Staub in tanzende Goldpartikel. Er war überall und kitzelte ihn in der Nase. Fatih nieste unterdrückt. Er lechzte nach einem Schluck Cola. Damit hatte er sich für seine Nachtwache zwar gut eingedeckt, aber er verspürte wenig Lust, in eine der Blumenvasen zu pinkeln. Er blickte auf die Uhr. Erst Viertel nach vier. Die Dämmerung kroch langsam durch die schmuddeligen Fenster.
    »Hier brauchen Sie nicht zu putzen«, hatte Fitzpatrick erklärt. »Der Raum wird nicht benutzt, und es lohnt sich nicht, das ganze Gerümpel beiseitezuschaffen.« In der Tat hätten die beiden selbst ernannten Fensterputzer wenigstens eine halbe Stunde räumen müssen, um zu den kleinen Fenstern vorzudringen.
    Jetzt, wo er hier hockte, kam ihm sein ganzer Plan hirnverbrannt vor. Geboren aus dem zornigen Impuls, irgendetwas zu tun, um diesen Scheißkerl dranzukriegen. Irgendwas. Obwohl Fatih keinen Heizkörper in dem Raum entdecken konnte, war die Luft warm und stickig. Er nahm nun doch zwei große Schlucke aus der Flasche. Wenn er wenigstens Musik hören könnte! Aber die Gefahr war zu groß, dass er mit Stöpseln in den Ohren nicht mitbekommen würde, wenn jemand kam. Er ließ den Kopf nach hinten auf die Sessellehne fallen, worauf eine Staubwolke seinen Kopf umflorte. Er nieste heftig und hielt dann erschrocken die Luft an. Aber alles blieb still. Wieder halbwegs beruhigt, plante er noch einmal seine nächtlichen Aktivitäten. Zuerst wollte er mit dem Arbeitszimmer anfangen. Dort schien ihm die Wahrscheinlichkeit, auf etwas Interessantes zu stoßen, besonders groß. Er schloss die Augen, um sich den Grundriss des Hauses und die Positionen der Möbel vorzustellen. Kurze Zeit später war er weggedämmert.
    Selçuk entschloss sich, einen Parkplatz irgendwo am Elbufer zu suchen. Dort würde ein geparktes Auto weniger Misstrauen erregen als in einer totenstillen Nebenstraße. Doch Stellplätze waren rar. In Teufelsbrück hatte der viel frequentierte Besucherparkplatz einer trostlosen Betonpromenade weichen müssen. Bestimmt hatte die Scheußlichkeit Unsummen gekostet. Schließlich fand er ein Plätzchen in der Nähe einer Tankstelle. Er sperrte sein Auto sorgfältig ab und schlug den Kragen seiner weißen Lederjacke hoch. Auf einem Geländer hockte eine Möwe. Ein riesiges Vieh. Auf ihrem Schnabel war ein roter Fleck, der aussah, als hätte sie ihn gerade in Blut getaucht. Sie starrte ihn aus glänzenden schwarzen Augen an, boshaft, wie er fand. Selçuk machte einen großen Bogen um das Tier. Irgendwie war es ihm nicht geheuer.
    Plötzlicher Motorenlärm ließ ihn zu dem immer dunkler werdenden Himmel aufblicken. Dort schwebte ein walfischartiges Ungetüm über die Elbe. Es war das erste Mal, dass er einen Airbus so nahe sah. Der Hangar, so wusste er, lag genau jenseits der Elbe, in Finkenwerder. Unglaublich, dass so ein fettes Teil überhaupt fliegen konnte. In Selçuks Augen schien es allen Prinzipien der Aerodynamik zu spotten. Ein kalter Windstoß ließ ihn erschauern. Er machte sich auf den Weg über den langen Steg zum Elbanleger, von dem aus die Arbeiter der Werft per Barkasse hinüberpendelten. Am Ende des Stegs leuchteten einladend die Fenster eines Restaurants. Schnellen Schritts lief er hinüber. Offenbar herrschte nicht gerade Hochbetrieb im »Café Engel«. Doch Selçuk wusste von einem vorangegangenen Besuch, dass das Essen hier wirklich lecker, wenn auch teuer, war. Im Sommer hatte er draußen auf der Terrasse den Blick über die Elbe genossen. Jetzt saß er vor einem der Panoramafenster. Der Raum schwankte leicht mit dem Wellengang und verursachte ein angenehmes Kribbeln in seinem Magen. Auf den weiß gedeckten Tischen standen noch diskrete Weihnachtsdekorationen aus schlichten Tannenzweigen und silbernen Kugeln.
    In Anbetracht seiner gut bestückten Brieftasche gönnte Selçuk sich eine üppige Portion Fish & Chips. Die Kellnerin war groß und überschlank. In ihrer Unterlippe funkelte ein Piercing.
    Süßer Typ, dachte sie und warf ihre glatte schwarze Mähne über die Schulter. Sie lächelte auffordernd, als sie ihm den Teller mit dem goldbraun frittierten Backfisch, den knusprigen Pommes und der hausgemachten Remoulade vor die Nase stellte. Wenn wenig los war, war sie immer offen für einen kleinen Flirt. Selçuk schmunzelte in sich hinein. Er wusste, dass er mit seinen femininen Gesichtszügen und den

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