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Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)

Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Fux
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drosselte er sein Tempo nicht. Eine Serie Lichtblitze quittierte die überhöhte Geschwindigkeit. Er warf einen Blick auf den Tacho. Knapp unter hundert. Das würde teuer werden. Er biss die Zähne zusammen, nahm aber den Fuß nicht vom Gas. Neben ihm fuhr ein nagelneuer Audi auf gleicher Höhe. Die Insassen hatten trotz der Kälte die Fenster ganz nach unten gelassen und beugten sich Bierflaschen schwenkend aus dem Wagen. »Schweinegeile Karre, Mann«, brüllte einer der Jungen von der Rückbank. Sein langer Schal flatterte im Fahrtwind. Theo konnte nur hoffen, dass der Fahrer nicht ebenso viel Alkohol intus hatte.
    Als er schließlich an der Villa in der Elbchaussee ankam, war es bereits nach elf. Er schaltete den Motor ab. Drinnen schein alles ruhig und dunkel zu sein. Er starrte auf die nachtschattenverdunkelte Haustür, als wollte er sie mit Röntgenblicken durchdringen.
    Plötzlich wurde die Beifahrertür aufgerissen. Theo gab einen unartikulierten Laut von sich. Eine schlanke Gestalt in weißer Lederjacke schlüpfte zu ihm in den Wagen. Das Licht einer Straßenlaterne ließ das weißblonde Haar kurz aufblitzen.
    »Hast dir reichlich Zeit gelassen«, sagte Selçuk, das förmliche »Sie« ablegend. Immerhin waren sie nun Verbündete in der Not. Er selbst war schon zwanzig Minuten vor Theo angekommen. Nachdem es dem Techniker auf der Polizeidienststelle gelungen war, die Verbindung zum Server wiederherzustellen, hatten die Beamten seine Personalangaben minutenschnell gecheckt und keinen Grund mehr gehabt, ihn länger festzuhalten. Um Zeit zu sparen, hatte er sich von einem Taxi zu Bergmans Haus chauffieren lassen.
    »Stau im Elbtunnel«, informierte Theo ihn.
    »Ausgerechnet.«
    »Hat Fatih sich gerührt?«
    »Keinen Mucks.«
    Theo trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad. »Mir reicht’s. Ich kann das nicht verantworten. Ich ruf jetzt Hadice an.«
    »Wen?«
    »Eine alte Freundin.«
    Hadice stand mit dem Rücken an eine feuchtkalte Backsteinmauer gelehnt. Im ganzen Körper spürte sie die Bässe. Bäng. Bäng. Bäng. Sie war wie üblich früh zu ihrem Lieblingsclub auf der Reeperbahn gezogen, um den ganzen Raum der nur spärlich bevölkerten Tanzfläche zu nutzen. Bis der Club sich nach Mitternacht langsam füllen würde, hätte sie sich schon richtig ausgepowert. Auch heute Abend hatte sie erst mal eine halbe Stunde getanzt, bevor sie sich den ersten Drink genehmigte. Sie ging zur Bar hinüber und sah, wie ein anderer früher Gast sie von dort aus interessiert anschaute.
    Nicht übel, dachte sie. Der Mann war vielleicht etwas jünger als sie und ausgesprochen gut gebaut. Außerdem hatte er lange, glänzend dunkle Haare, was momentan zu ihrem Bedauern weitgehend aus der Mode und somit von der Bildfläche verschwunden war. Er prostete ihr zu. Sie nickte kühl und schwang sich auf den Barhocker.
    »Ein Alkoholfreies«, brüllte sie. Hadice trank niemals Alkohol. Das hatte weniger mit ihrer muslimischen Herkunft als mit ihrem Job zu tun. Sie hatte einfach zu viel von dem gesehen, was Alkohol mit den Menschen anrichtete. Das hatte ihr die Lust am Hochprozentigen dauerhaft vergällt. Außerdem war es in ihrem Job von Vorteil, jederzeit einsatzbereit zu sein. Hadice war sehr ehrgeizig. Nun lehnte sie also im Vorraum des Clubs an der Wand, und dieser Typ von der Bar stand vor ihr und stützte besitzergreifend einen Arm neben ihrem Kopf ab. Vermutlich sonnte er sich in dem Bewusstsein seiner männlichen Attraktivität und dem Glauben, ihr körperlich überlegen zu sein. Dabei hätte sie ihn trotz seiner beeindruckenden Muskulatur innerhalb von fünfzehn Sekunden kampfunfähig machen können. Hadice musste schmunzeln. Der Typ hielt das für ein Signal, ihr weiter auf die Pelle rücken zu können. Nee, Junge, dachte sie, du bist mir doch ein bisschen zu sehr von dir selbst überzeugt. Sie wollte ihm gerade mit zuckersüßem Lächeln eine Abfuhr erteilen, als sie spürte, wie es in ihrer Nierengegend vibrierte. Dort trug sie ihr Handy unter das Top geschnallt. Sie zog den Bauchgurt herum und griff danach. Auf dem Display blinkte Theos Nummer. Sie ließ den langhaarigen Supermann stehen, schnappte sich ihre Lederjacke aus der Garderobe und lief die Treppe hinauf in die relative Stille der Reeperbahn. Supermann starrte verdutzt auf die leere Wand. »Verdammt, was war das denn jetzt für ’ne Aktion?«
    »Yes?«, meldete sich Hadice.
    »Hadice, kannst du herkommen? Sofort? Ich steh hier vor Bergmans Villa. Fatih ist da

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