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Das letzte Hemd ist bunt: Die neue Freiheit in der Sterbekultur (German Edition)

Das letzte Hemd ist bunt: Die neue Freiheit in der Sterbekultur (German Edition)

Titel: Das letzte Hemd ist bunt: Die neue Freiheit in der Sterbekultur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Roth
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    Manche Koffer, wie der von Franz Alt, waren vollkommen leer: »Dem Tod sollten wir keine Vorschriften machen. Er ist und bleibt ein großes Geheimnis. Deshalb hab ich Ihnen den Koffer so zurückgesandt, wie Sie ihn mir gesandt haben. Wer glaubt, etwas mitnehmen zu können, wird sich wahrscheinlich wundern«, schrieb er dazu. Der Koffer, den uns Manfred Becker-Huberti, zum damaligen Zeitpunkt Pressesprecher des Erzbistums Köln, zurückschickte, enthielt nur einen Rosenkranz; der Landschaftsarchitekt Alexander Nix wiederum hatte zwölf Äpfel in seinen Koffer gepackt und dies mit den Worten kommentiert: »Mitnehmen kann man nichts – hinterlassen kann man viel.«

Ein handbemalter Sarg
    Wenn Angehörige eine Erdbestattung wählen, steht der Sarg ganz oben auf der Liste der Entscheidungen: Welches Modell, welche Ausführung soll es ein? Wie soll, wie darf der Verstorbene gebettet werden? Welche Farben, welches Material, mit Verzierungen oder ohne? Die Auswahl bei den meisten meiner Kollegen ist beeindruckend groß; die Kriterien für die Entscheidung beschränken sich dagegen oft auf einen einzigen Punkt, nämlich den Preis. Dieser ist wichtig, denn nach ihm bemisst sich, was der Verstorbene (vor allem auch in den Augen der Trauergemeinde) seinen Angehörigen »wert« gewesen ist. Oder?
    Alfred Opiolka fertigt Schreine auf Bestellung an. Einzelstücke, Unikate, maßgeschneidert wie (manche) Hochzeitskleider. Inzwischen bietet er Betroffenen auch in Zusammenarbeit mit Trauerbegleitern an, Särge selbst zu bemalen: »Vielleicht den eigenen oder den für die kranke Oma im Altenheim oder für einen in absehbarer Zeit sterbenden lieben Menschen. Diese Arbeit an einem richtigen Sarg ist eine Art ›Vortrauerarbeit‹«, erzählt er. Mit der Arbeit am eigenen Sarg können Grenzen erkundet werden, die wir alleine niemals erreichen: »Es ist nur die eigene Vorstellung, die Kraft unserer eigenen Gedanken und unsere eigene Fantasie, die es uns leicht oder schwierig erscheinen lassen, an einem Sarg zu malen. Stellen Sie sich doch einmal vor, wie es wäre, in einem meiner Kurse an Ihrem eigenen Schrein zu arbeiten, ihn zu bemalen, zu verschönern, Symbole anzubringen, die Ihnen wichtig sind, vielleicht Worte zu schreiben, die noch gesagt werden sollten … Und das alles immer im Bewusstsein, dass es sich um Ihren eigenen Sarg handelt, in den nach Ihrem Sterben Ihr Körper gebettet wird.«
    Für den Kunstmaler ist Grün die am besten zum Tod passende Farbe, und er erklärt auch, warum: »Üblicherweise ist in unserer Kultur Schwarz die Farbe des Todes. Ich glaube, dass Schwarz die Farbe der Trauer ist. Um in mich zu gehen, mich zurückzuziehen, ist Schwarz sehr wohl geeignet. Bei der Trauer nach einem Todesfall geht es in erster Linie um mich. Das ist auch gut und wichtig – aber erst, nachdem ich den Verstorbenen auf seinem letzten Weg begleitet habe. … Würden wir in dieser Situation erkennen, dass wir nicht etwas verlieren, sondern dass für denjenigen, der da gerade verstorben ist, etwas ganz Neues anfängt nach dem leiblich gebundenen, irdischen Dasein, dann wäre es einleuchtend, dass die Farbe des Todes eigentlich Grün sein müsste! Grün steht für den Frühling, den Neubeginn nach der Winterstarre; Grün steht für die Hoffnung und die Zuversicht! Somit wäre es meiner Ansicht nach passender und hilfreicher, während dieser Zeit der Wegbegleitung möglichst viel Grün zu tragen und den Sterbenden /Verstorbenen in Grün zu betten. Meine Vision ist auch das grüne Bestattungsinstitut mit grünen Autos und Personal in grünen Kleidern.«

Darf man erleichtert sein, wenn jemand stirbt?
    Claudia Höges (21) erlebte hautnah, wie ihre 83-jährige Großmutter Paula immer mehr »abbaute«. Anfangs war es eine mittelschwere Demenz. Claudia besuchte ihre Großmutter regelmäßig nach der Uni und kümmerte sich um sie. Paula wurde immer schwächer und konnte nicht mehr allein aus dem Bett aufstehen oder zur Toilette gehen. Sie weigerte sich, Essen oder Trinken zu sich zu nehmen, und verschlief den ganzen Tag. Mehr als einmal sagte Paula: »Lass mich hier einfach liegen und sterben.« Nach einem halben Jahr der intensiven Pflege und der fortschreitenden Altersschwäche kam die ganze Familie noch einmal zusammen, um Paulas Geburtstag zu feiern. Es war ein sehr trauriger Geburtstag, Paula war kaum mehr ansprechbar. Zwei Wochen später erlitt sie einen Schlaganfall und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Sie war

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