Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Hemd ist bunt: Die neue Freiheit in der Sterbekultur (German Edition)

Das letzte Hemd ist bunt: Die neue Freiheit in der Sterbekultur (German Edition)

Titel: Das letzte Hemd ist bunt: Die neue Freiheit in der Sterbekultur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Roth
Vom Netzwerk:
heißt, zu leben und zu akzeptieren, dass unser Leben begrenzt und darum etwas sehr Kostbares ist. Trauer dient nicht zuletzt als ein Andenken an den Verstorbenen, an seine ganz eigene Art und Weise durch das Leben zu gehen.
    Wäre das nicht eine schöne Nachricht an die, die nach uns kommen und sich von unseren Gräbern etwas über unsere Kultur erzählen lassen möchten?
    Sarg- und Grabbeigaben sind eine Geste, die auch heute erlaubt ist. Allerdings dürfen es nur Gegenstände sein, die sich zersetzen – Handy und MP3-Player zählen also nicht dazu, ebenso wenig wie eine CD mit den Lieblingsfilmen oder -songs. Zu den idealen Begleitern zählt das, was wir selbst mit Botschaften gestalten – Briefe, Bilder, ein Foto. Dieses »Mitgeben« kann ein Ausdruck sein, der den Abschied, das Loslassen sinnlich erfahrbar macht. So wie wir etwas von dem Verstorbenen »als Andenken« an ihn zurückbehalten wollen, so wollen wir ihm auch etwas von uns mitgeben.

Ahnengalerie
    Sie kennen das: Ein Kollege, der gerade Vater geworden ist, hält Ihnen das Handy unter die Nase, auf dessen Display ein rosiges Gesicht ohne Haare, dafür aber mit verkniffenen Augen zu sehen ist. »Wie süß! Unglaublich, wie hübsch die Kleine ist«, lügen Sie, denn die Einzigartigkeit ist für Außenstehende nicht einmal ansatzweise zu erkennen. Die Babybilder sehen sich so ähnlich wie die Handys, auf denen sie gespeichert sind. Doch diese Bilder haben Bedeutung, sie sind einmalig, ebenso unwiederholbar wie das, was man mit dem Kind erlebt.
    Früher waren es nicht die Kinderbilder, sondern (in gehobenen Kreisen jedenfalls) die Porträts der Ahnen, mit denen man das Haus schmückte. Das ist selten geworden. Wer hebt heute noch Bilder, Fotografien, Zeugnisse, Briefe seiner Großeltern oder sogar Urgroßeltern auf? Und doch könnte es kein besseres und einfacheres Memento mori geben als die Erinnerungsstücke jener, die vor uns waren.

Ein Stein als Skulptur
    Grabsteine aus grauem, braunem oder schwarzem Marmor, poliert und mit geschwungener Oberkante. Stein für Stein aufgestellt in Reih und Glied. Der Volksmund spricht: »Ordnung ist das halbe Leben«, und Bestatter, Friedhofsgärtner und Verwaltungsbeamte finden, dass das auch im Tod so sein sollte. Wie starr und unbeweglich das System ist, fällt immer dann auf, wenn tatsächlich einmal etwas anderes als ein genormtes Grab verlangt wird. Häufig geschieht das, wenn jemand aus einem anderen Kulturkreis auf einem deutschen Friedhof bestattet werden soll.
    Linda Kobayashi, Angestellte eines großen Elektronikkonzerns, trauerte um ihren verstorbenen Vater. Kaito Kobayashi war Anfang der 1970er Jahren aus dem japanischen Kamakura nach Deutschland gekommen. Als Buddhist hatte er sich schon zu Lebzeiten intensiv mit seinem eigenen Tod beschäftigt. Er hatte eine klare Vorstellung davon, wie sein Grabstein aussehen sollte: gestapelte Steinblöcke, etwa doppelt so hoch wie ein handelsüblicher Stein.
    Als Linda Kobayashi den Wunsch ihres Vaters erfüllen wollte, stieß sie auf den Widerstand der örtlichen Friedhofsverwaltung. Der Grabstein sei ja eigentlich kein Stein, sondern eine Skulptur. Das ginge nicht. Die Skulptur sei außerdem zu groß, überschreite die maximal zugelassene Höhe. Das ginge nicht. Und zu guter Letzt: Die Grabfläche müsse zu 80 Prozent mit Bodendeckern bepflanzt werden, wofür der Grundriss der Skulptur keinen Platz ließe. Das ginge sowieso nicht.
    Es wäre schön, wenn wir uns von den Steinwüsten solcher Friedhöfe, auf denen jegliche Kreativität von Konformismus erstickt wird, verabschieden würden. Jeder Mensch ist einzigartig. Leider ist davon bei einem Spaziergang über die meisten Friedhöfe nicht viel zu spüren.
    Linda Kobayashi konnte den Wunsch ihres Vaters schließlich doch noch erfüllen. Sie ließ ihn einäschern und fand für die Urne einen Friedhof, der den Grabstein, der eigentlich eine Skulptur war, zuließ. Heute kann sie ein Grab besuchen, das sehr viel über ihren Vater, seinen Glauben und sein Herkunftsland Japan erzählt. Ein Land, in dem sie noch nie war, dem sie sich aber am Grab ihres Vaters etwas näher fühlt.

Fußball für immer
    »Mama, kann ich den haben?« Der Junge zeigt mit dem Finger auf die Auslage eines Düsseldorfer Bestattungshauses. Rechts, neben vasenartigen Gefäßen, ist ein Fußball für 698 Euro ausgestellt. Eine Urne. Geht das zu weit? Geht das in Ordnung?
    Als erster deutscher Profi-Verein bietet der Hamburger Sportverein einen

Weitere Kostenlose Bücher