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Das letzte Hemd ist bunt: Die neue Freiheit in der Sterbekultur (German Edition)

Das letzte Hemd ist bunt: Die neue Freiheit in der Sterbekultur (German Edition)

Titel: Das letzte Hemd ist bunt: Die neue Freiheit in der Sterbekultur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Roth
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Körper und den trauernden Angehörigen gibt es heute in Deutschland nur noch ansatzweise in ländlichen Gegenden. Wenn die gewohnten Rituale und Formen nicht mehr »passen«, wird es zur eigenen Aufgabe, sie (neu) zu erfinden.
    Dieses Buch möchte dazu ermutigen, die Einzigartigkeit des individuellen Lebens in einem individuellen Umgang mit dem Tod fortzusetzen und eine Kultur zu etablieren, die uns hilft, Sterben und Trauer als Teil des Lebens zu begreifen. Wir können nicht einfach neue Normen aufstellen, wie der Tod, wie die Toten wieder einen Platz im Leben bekommen. Vielmehr kommt es darauf an, dass immer mehr Menschen sich dafür öffnen, dass man die Toten nicht einfach entsorgen (lassen) sollte.
    Wenn der Tod in unserer Gesellschaft verdrängt wird, die Toten aus der Gesellschaft spurlos verschwinden, stellt sich die Frage, was an ihre Stelle tritt. Denn Menschen müssen sich zu ihrer Endlichkeit in Beziehung setzen. Sie wollen wissen, was mit ihnen passiert, wenn sie sterben, beziehungsweise was mit den Gestorbenen passiert, deren Tod sie erleben. Denn das Problem, den eigenen unvermeidlichen Tod oder den Tod des anderen in irgendeiner Weise zu bewältigen, bleibt bestehen. Je weniger uns aber von außen vorgegeben wird, desto mehr sind wir auf uns selbst verwiesen.
    Mit den Freiräumen wächst auch die Unsicherheit: Neue, angemessene Formen der Trauer und des Umgangs mit dem Tod zu finden, setzt voraus, dass wir uns damit befassen, dass wir aufhören, uns die Toten »enteignen« zu lassen, und dem Sterben, dem Tod und der Trauer wieder einen Platz im Leben einräumen. Es gibt Momente, wie sie der Einzelne als Angehöriger erlebt, in denen der Tod sich diesen Raum im Leben nimmt. Doch es geht auch darum, den institutionellen, kulturellen Rahmen dafür aktiv zu schaffen. Denn damit tragen wir auch zu einer mündigeren Gesellschaft bei, in der der Einzelne in die Gestaltung des Gemeinwesens einbezogen ist. Die Auseinandersetzung mit der Trauer ist eine der größten Lebensenergiequellen. Sie gibt uns Kraft, Krisen in Perspektiven umzuwandeln.

3
    Gemeinsam einsam

Der Tod »in Nahaufnahme«
    Die gesellschaftlichen Widersprüche im Umgang mit Tod und Sterben brechen schmerzhaft auf, sobald aus der betrachtenden Distanz die Naherfahrung wird.
    Spätestens dann, wenn wir persönlich mit dem Tod eines nahestehenden Menschen konfrontiert sind oder selbst an einer lebensbedrohlichen Krankheit leiden, werden wir merken, dass wir eine Sterbe- und Trauerkultur brauchen. Im Tod als Nahereignis verliert das Thema seine akademische, theoretische Dimension. In dieser Situation wird uns klar, dass die alten Rituale verzichtbar sein mögen wie die kaputte Spieluhr der Patentante – doch dass wir vergessen haben, neue zu entwickeln.
    Die Kosten der persönlichen wie gesellschaftlichen Verdrängung des Todes werden unmittelbar spürbar für uns. Plötzlich stellen wir fest, dass die Distanz, die wir zum Tod und Sterben kulturell einnehmen, uns umso verwundbarer macht. Keine noch so große Distanz kann bewirken, dass wir dem Tod und der Erfahrung, Abschied nehmen zu müssen, entgehen.
    Die Konfrontation mit der »Wirklichkeit des Todes« wird auch in der persönlichen Erfahrung oft als unwirklich erlebt. Der Tod konfrontiert uns mit einer Kultur, die hilflos ist, die das Unfassbare außer Reichweite hält, die die Toten »schnell beseitigt« und die dazu anhält, auch die Trauer um den Verlust des Verstorbenen möglichst schnell und unauffällig zu bewältigen.

Kult und Kultur des Sterbens
    In vielen asiatischen und afrikanischen Kulturen ist Trauer bis heute vor allem eine Sache der Gemeinschaft. Der Satz »Das muss ich mit mir allein abmachen« wäre dort undenkbar. Die öffentliche Form des Trauerns wird in diesen Gesellschaften als ebenso »natürlich« empfunden wie in unserer modernen Kultur die Privatisierung der Trauer. Trauer ist eine universelle Erfahrung, doch wie sie sich für den Einzelnen anfühlt und wie sie sich nach außen zeigt, ist etwas ganz anderes. Es gibt kein »richtig« und kein »falsch« im Verhältnis zu Tod und Trauer.
    Trauerrituale, Friedhöfe und Begräbnisstätten waren in allen Kulturen Zeugnisse für den Umgang der Lebenden mit ihren Toten und dem Tod. Sie spiegeln die Vorstellung wider, die sich die Menschen in ihrer Zeit und Kultur vom Tod – und vom Leben – machen. Wenn man historische Entwicklungen über einen langen Zeitraum betrachtet, wie dies in der europäischen Geschichte dank

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