Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
Vom Netzwerk:
hatte den Grabstein bestellt, der über ihr aufgestellt werden würde.
    »Creola Freemantle«, würde darauf stehen.
    Gott hat die Schönheit ihrer Seele gesehen.
    Levi betrachtete den Schmutz an seinen Händen. Es war Gottes Erde, schwarz und fett. Die Erde von Hush Arbor. Die Erde seiner Familie. Er rieb die Finger aneinander und watete dann ins Wasser. Kühl stieg es an seinen Knien herauf und bis an seine Brust.
    »Gott hat's gesehen«, sagte er.
    Und das Wasser nahm ihn auf.
    Levi richtete sich in der Scheune auf. Der Revolver war auf sein Gesicht gerichtet, und der Junge dahinter hatte Angst. Er kam ihm bekannt vor, aber Levi konnte nicht besonders gut sehen. Die Welt war verschwommen und schief. Er sah weiße Haut und wirres Haar. Einen flatternden Blick.
    Levi wusste nicht, wo er war, doch er spürte die Veränderung, als habe er gewusst, dass sie kommen würde. Er spürte die Luft, die sich auf ihn türmte, ihren kühlen Druck. Dann erfüllte ihn die Stimme. Ein Letztes noch, sagte sie, und Levis Zähne leuchteten weiß im Halbdunkel.
    Er stand auf, und der Schmerz wich in weite Ferne.
    Der Schmerz wurde zu einer Erinnerung.
    Jack strampelte mit den Füßen und rutschte zurück an die Wand. In den Augen des Mannes leuchtete das Licht des Wahnsinns, und Jack konnte an nichts anderes mehr denken als an die zwei Menschen, die Freemantle umgebracht hatte. Blut wie Farbe an den Wänden, hatte Johnny gesagt.
    Jack streckte den Revolver vor sich. Die Waffe zitterte, aber daran konnte er nichts ändern. Er betete bei sich: Mach, dass er mich nicht umbringt. Mach, dass er mich nicht umbringt ...
    Aber Freemantle machte keine Anstalten, sich auf ihn zu stürzen. »Hinter dem großen Felsen, zwischen den Bäumen da hinten.« Die Worte kamen gepresst und langsam aus seinem Mund.
    »Man springt über den Bach, und dann sieht man es schon.« Das Elfenbeinweiß seiner Augen war von roten Schlieren durchzogen.
    Er humpelte hinaus. In der Tür lehnte er sich noch einmal zurück, sagte ein paar letzte Worte zu Jack, und dann war die Tür leer.
    Jack konnte sich eine ganze Weile nicht rühren. Er war so verdattert und voller Angst, dass er nicht mehr klar denken konnte. Als er sich endlich aufraffte und zur Tür ging, sah er gerade noch, wie Freemantle am Waldrand stehen blieb. Narbig und schief stand er da, ohne Schuhe und ohne Hemd, und seine Muskeln rollten krampfartig unter der blut- und dreckverschmierten Haut. Die eine Hand war zur Unkenntlichkeit angeschwollen, und aus der Wunde an seiner Seite ragte ein fünfzehn Zentimeter langes Stück schwarzes, zackenförmiges Holz. Freemantle schien das alles nicht zu merken. Er drehte sich um und legte den Kopf zur Seite. Das gesunde Auge schaute starr nach oben. Jack folgte seinem Blick, und in seiner Brust öffnete sich ein eiskaltes Loch.
    Die Sonne brannte hoch am strahlend blauen Himmel.
    Und das Dach war schwarz von Krähen.
    Die Stimme seiner Mutter gellte ihm noch in den Ohren, als der blank polierte Schuh im Bogen herankam. Er spürte Holloways Tritt im Kreuz und dann an seinem Arm, und er krümmte sich zusammen, um sich davor zu schützen, aber Holloway trat noch einmal zu. »Niemand legt sich mit Ken Holloway an.«
    Er packte Johnny bei den Haaren und riss ihn hoch.
    »Bleib ja hier.«
    Er stieß Johnny wieder zu Boden und verschwand im Flur und in Johnnys Zimmer. Etwas scharrte über den Boden, etwas Schweres, und als er zurückkam, hielt er das Bleirohr in der Hand, das Johnny hinter seinem Bett versteckt hatte.
    »Glaubst du, ich weiß nichts davon? Das hier ist mein Haus.« Er schlug zu, und das Bleirohr traf Johnnys Oberschenkel. »Mein Haus! Niemand legt sich in meinem eigenen Haus mit mir an!«
    Ken richtete sich auf, und Johnny beobachtete ihn. Holloway ging quer durch das Zimmer, nahm eine Rolle mit silbernem Klebstreifen und riss ein zwanzig Zentimeter langes Stück herunter. Er packte Johnnys Mutter bei den Haaren. Sie wehrte sich, aber er drückte ihr den Klebstreifen auf den Mund. »Das hätte ich schon vor einer Woche tun sollen«, sagte er und ließ sie achtlos liegen. Der Spiegel lag auf dem Fernseher. Ken nahm einen zusammengerollten Geldschein, hielt sich das eine Nasenloch zu und zog zwei Linien von dem Spiegel in das andere. Als er sich wieder umdrehte, waren seine Pupillen groß und schwarz.
    »Wo ist dein Daddy jetzt?«
    Seine Mutter warf sich hin und her, als Ken das Bleirohr über den Kopf hob. Johnny schrie. Und dann explodierte die Haustür.

Weitere Kostenlose Bücher