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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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Lehmboden vor dem Haus standen Bäume, ein neunzehn Jahre alter Pontiac und ein Truck, der schwarzen Qualm ausspuckte. Im Garten standen Tonnen mit leeren Flaschen, und ein Graben war voller Müll.
    Und er hatte den Schuppen. Der stand am hinteren Ende des Grundstücks in einem Wäldchen, das so tief und dicht war, als habe Jar es eigens zu diesem Zweck angepflanzt: um den Schuppen zu verstecken. Er war auf keiner Grundsteuerkarte, in keinem Kataster verzeichnet. Es gab keine Genehmigung für ihn. Aber da war der Schuppen, zwei Meilen Wald und dann der Fluss.
    Jar hatte den Jungen natürlich schon früher gesehen: ein Schatten vor dem Fenster, ein Farbklecks im Gebüsch. Er hatte keine Ahnung, was der kleine Scheißer hier wollte, hätte ihn jedoch einmal beinahe geschnappt. Er hatte ihn durch ein Fenster an der Rückseite gesehen, war zur Haustür hinausgeschlichen und schnell und geschmeidig um das Haus gekommen. Er hatte eine Handvoll Haare erwischt, aber der Junge hatte sich losgerissen, bevor er ihn bei einem fleischigen Körperteil packen konnte. Jar hatte ihn eine Viertelmeile weit verfolgt, aber dann hatte seine Lunge rebelliert. Er erinnerte sich noch an den Augenblick. Er hatte auf den Knien im Dreck gelegen und mir dem letzten Rest seines Atems geschrien: Kommst du noch mal her, bringe ich dich um. Fuck, ich bringe dich um!
    Aber der Bengel war zurückgekommen — zweimal, soweit Jar wusste. Er hatte nie damit gerechnet, ihn so zu sehen. Nicht am helllichten Tag.
    Der Wagen war ihm als Erstes ins Auge gefallen. Er parkte am Straßenrand, die linken Räder halb im Graben. Jar sah ein Stück mattes Chrom und trat hinaus auf die Veranda. Er war in Unterwäsche; die Hose schlotterte um die Beine und war alt, doch das war ihm egal. Die Straße war tot, und der nächste Nachbar wohnte mehr als eine Viertelmeile weit weg. Autos auf dem Weg zur Müllkippe kamen vorbei, Kinder zogen quietschende Karren hinter sich her, aber das war alles. Das hier war sein kleines Stück Himmel, und hier tat er, was er wollte, verdammt. Außerdem war es noch früh. Die Sonne war nicht mal über die Bäume heraufgekommen.
    Wieso zum Teufel parkte ein Auto vor seinem Haus?
    Die meisten Leute waren klüger.
    Er langte hinter sich und packte den Baseballschläger, der innen am Türrahmen lehnte. Der Schläger hatte Kerben und Narben, weil Jar einmal wegen eines verpfuschten Playoff-Spiels einen Fernseher damit zu Tode geprügelt hatte. Jar taumelte, als er auf die unterste Stufe trat. Ein dumpfer Schmerz in seinem Kreuz sandte kleine spitze Nadeln aus. Die Bäume lehnten sich zu ihm herüber, als er weiterging. Ein Ast holte aus und riss ein Stückchen Haut von seinem Hals.
    Scheiß Baum.
    Er schlug mit dem Baseballschläger gegen den Stamm und wäre beinahe gestürzt.
    Der Wagen war ein alter Kombi, gelb lackiert, mit Holzdekor. Die Reifen waren abgefahren, und an zwei Fenstern hatten sich die Gummidichtungen gelöst. Er schien leer zu sein. Jar blieb am Ende seiner ungepflasterten Einfahrt stehen und spähte mit trüben Augen die Straße entlang. Niemand kam. Auf der Straße war nur dieser Kombi. Der Asphalt war warm und glatt, und der Baseballschläger war ramponiert und voller Splitter, die sich in Jars Haut bohrten, als er an seinem Bein entlangscharrte. Er schaute hinunter und sah blutige Pünktchen, bonbonrot auf der weißen, unbehaarten Haut seiner Wade.
    Scheiß Schläger.
    Die Fenster des Wagens waren heruntergelassen, und der Junge lag zusammengerollt auf dem Vordersitz. Er trug eine dreckige Jeans und verschlissene Turnschuhe, und um den Hals hingen Federn oder so was. Verrückt. Brust und Schultern waren nackt und beschmiert mit etwas, das aussah wie Ruß. Es war das Gesicht, das Jar am Fenster gesehen hatte, schmutzig, schmal und durchtrieben. Er lag auf der Seite und schlief, und Jar konnte den knochigen Hals schon unter den Fingern spüren.
    Das war der Bengel. Der Schleicher, dessentwegen Jar jede zweite Nacht über die Schulter blickte. Er schaute die Straße hinauf und hinunter und dann wieder in den Wagen hinein. Auf dem Boden lag ein Fernglas, eine halb leere Wasserflasche und eine gottverdammte Kamera. Wozu die Kamera, verdammt? Der Junge hatte ein Messer in der Hand, ein aufgeklapptes Taschenmesser.
    Jar hätte gelacht, aber er musste jetzt rechnen.
    Niemand zu sehen. Dreißig Sekunden, um den Jungen aus dem Wagen zu holen, und eine Minute, um ihn hinter das Haus zu schaffen.
    Das war zu machen.
    Aber er war

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