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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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betrunken und fahrig. Müde. Und Männer wie Jar hatten es nicht gut im Knast. Außerdem musste er sich um den Wagen kümmern. Er würde ihn schnell irgendwo abstellen müssen, wo man ihn nicht zurückverfolgen konnte. Wenn der Junge sich wehrte, würde es unangenehm werden. Jar war jähzornig das konnte er nicht bestreiten. Und dann bestand das Risiko, dass doch jemand aufkreuzte, irgendein zufällig vorbeifahrendes Auto. Bei diesen Kurven konnte das ziemlich unerwartet passieren. Wenn jemand sähe, wie er einen Jungen aus dem Wagen zerrte, würde es nicht lange dauern, bis die Cops da wären. Und die Cops waren schon stinkig wegen des verschwundenen Mädchens.
    Und man konnte nicht immer Glück haben.
    In seinem Kopf tobte eine Schlacht. Das hier war der Bengel, und er wusste etwas. Er musste etwas wissen. Wieso sollte er sonst dauernd auftauchen? Bei seinem bloßen Anblick fing Jars Haut an zu jucken. Irgendetwas war an diesem Bengel...
    Aber Jar ging es gut hier. Er hatte Schnaps und Platz für sich, und lange Nächte, in denen er den Erinnerungen an andere Zeiten nachhängen konnte. Er hatte seinen Schuppen, und ab und zu bot sich eine Gelegenheit. Gut zwei Meilen weit nichts als leerer Wald.
    Aber nur, wenn er vorsichtig war.
    Er wiegte sich auf dem glatten Asphalt hin und her und spürte, dass seine Angst die Oberhand gewann. Es war zu viel auf einmal. Er war betrunken und unsicher.
    Aber es war derselbe Junge.
    Jar begriff, dass er den Bengel jetzt seit mehr als einer Minute anstarrte. Er stand in der Unterhose auf einer öffentlichen Straße und glotzte. Damit war alles klar. Seine Gedanken tickten zu langsam, und das würde nur Ärger einbringen. Das hatte er auf die harte Tour gelernt. Neun Festnahmen und dreizehn Jahre. Immer nur wegen dämlicher Fehler. Vergiss es. Er würde sich die Nummer notieren und den Jungen später aufstöbern.
    Doch der Junge öffnete die Augen. Er blinzelte einmal und fing dann an zu schreien.
    Jar schoss durch das Fenster wie eine Ratte in ihr Loch.

ZWANZIG
    J ohnny erwachte in einem grau gefleckten Albtraum. Er sah den Himmel durch das Fenster, Augen, fahl wie Spülwasser und von blutigen Schlieren durchzogen, gelb verfärbte Fingerspitzen. Er wusste, dass es ein Albtraum war, weil er es schon gesehen hatte dasselbe Gesicht, dieselben abgebrochenen Fingernägel. Johnny blinzelte, doch nichts veränderte sich. Der schmutzige Mann stand da und krümmte die Finger, und Johnny begriff, wo er war. Ein Schrei gellte aus seiner Kehle, und Burton Jarvis sprang so schnell durch das Fenster herein, dass Johnny kaum Zeit hatte, sich zu bewegen. Er schob sich zurück, aber um seinen Fußknöchel schlossen sich knochenharte Finger. Johnny schrie noch einmal, und Jar grunzte. Das Geräusch kam wieder aus derselben, fauligen Tiefe des Albtraums. Eine zweite Hand packte seinen Knöchel, und Johnny rutschte über den Sitz.
    Er stieß mit dem Messer zu, erwischte einen Arm, dann den andern. Rote Striche erschienen und öffneten sich, und Johnny versuchte, ihn noch einmal zu schneiden, aber Jar riss ihn so heftig heran, dass er mit dem Kopf gegen das Lenkrad prallte. Die Tür ging scheppernd auf, dann war Johnny auf der Straße. Sein Kopf schlug auf den Asphalt. Ein Fuß stampfte auf seine Hand, und das Messer flog klappernd davon.
    Er wollte unter den Wagen kriechen, doch Jar packte ihn beim Hals und warf ihn auf den Rücken. Kieselsteine bohrten sich in Johnnys Hinterkopf. Die Finger quetschten seine Kehle zusammen, und Johnny spürte, wie sich auf seiner Brust eine lange Linie aus Eis bildete. Einen Augenblick lang war es so kalt, dann kam der heiße Schmerz, und Johnny wusste, dass er mit seinem eigenen Messer geschnitten worden war. Jar schrie ihm ins Gesicht, unflätige, irrsinnige Worte an Speichelfäden. Eine zweite kalte Linie öffnete sich und wurde zu Feuer. Johnny würde sterben, das wusste er. Dieser alte Dreckskerl brachte ihn auf offener Straße um.
    Das Messer blitzte. »Gefällt dir das?«
    Er versetzte Johnny noch einen Schnitt.
    Und noch einen.
    »Gefällt dir das, du kleiner Scheißer?«
    Er war von Sinnen und rasend vor Wut, und dann donnerte der Himmel, und er flog zurück. Eine rote Blume erblühte auf seiner Brust. Das Dröhnen drückte auf Johnnys Trommelfelle, der weiche Druck des Donners und das dumpfe, feuchte Geräusch, mit dem Jar auf dem Asphalt landete. Johnny schloss die Augen und sah noch einmal, wie der Alte davongeflogen war, sah die peitschenhafte Bewegung

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