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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Knechte können in die Freiheit entlassen werden, geraten aber schnell wieder in Knechtschaft, wenn sie von ihren Herrn nicht mit genügend Land oder Geld ausgestattet worden sind. Mildriths Vater war ein Thegn gewesen und hatte dann, von Odda dazu bestimmt, die Vogtei des südlichen Defnascir übernommen. Aus Dummheit war er schließlich seines ohnehin bescheidenen Landbesitzes verlustig gegangen und hatte somit eine verarmte Tochter hinterlassen, die für den Sohn eines Aldermanns als Ehefrau nicht in Betracht kam und allenfalls einem im Exil lebenden Adelsspross aus Northumbrien genügen mochte. Mildrith war im Grunde nur eine der Bauernfiguren auf Alfreds Schachbrett, die er mir in die Hand gegeben hatte, um für die Kirche Schulden einzutreiben.
    Er war eine Spinne, eine schwarze Priesterspinne, die klebrige Netze spann. Bei meinem Gespräch mit ihm in Cippanhamm hatte ich mich ihm unendlich überlegen gefühlt. Doch in Wahrheit hätte ich mich öffentlich zu Thor bekennen und sogar auf Alfreds Altarreliquien pissen können - der Oberbefehl über die Flotte wäre mir trotzdem zuerkannt worden. Er wusste genau, dass sie in dem bevorstehenden Krieg kaum von Bedeutung sein würde. Ihm war es einzig und allein darauf angekommen, mich in seine ehrgeizigen Pläne für den Norden Englands einzuspannen.
    Und nun zappelte ich in der Falle, die er sorgsam ausgelegt und mit Oddas Hilfe hatte zuschnappen lassen.
    Der Gedanke an den Aldermann von Defnascir ließ einen Verdacht in mir keimen. «Was hat dir Odda an Brautgeld gegeben?», fragte ich Mildrith.
    «Fünfzehn Schillinge, Herr.»
    «Fünfzehn Schillinge?» Ich war entsetzt.
    «Ja, Herr.»
    «Dieser Bastard!», sagte ich.
    «Schneid ihm den Rest aus seinem Wanst», knurrte Leofric, worauf zwei sehr blaue Augen unter dem Kapuzenrand hervorlugten, die sich zuerst auf ihn, dann auf mich richteten und schließlich wieder verschwanden.
    Ihr Besitz, der jetzt mir gehörte, lag zwischen den Hügeln über der Mündung der Uisc. Das Anwesen hieß Oxton, was schlicht und einfach einen Hof bezeichnete, auf dem Ochsen gehalten wurden. Das Strohdach des Hauses war so mit Moosen und Gras überwuchert, dass das Gebäude wie ein kleiner bewachsener Hügel aussah. Einen Palas, also ein für einen Edelmann angemessenes Gebäude, gab es nicht, wohl aber einen Stall für Rinder und einen für Schweine. Die zwölf Hufen Land reichten für den Unterhalt von sechzehn Knechten und fünf Pächterfamilien. Sie alle waren zusammengekommen, um uns zu begrüßen. Sie hatten Mildrith lange nicht gesehen, denn sie war nach dem Tod ihres Vaters zu Odda nach Exanceaster gezogen. Das Anwesen hatte derweil Oswald verwaltet, ein Mann, der etwa so vertrauenswürdig wirkte wie ein Wiesel.
    Am Abend aßen wir ein Mus aus Erbsen und Lauch, dazu gab es trockenes Brot und Sauerbier. Das war meine erste Mahlzeit im eigenen Haus, auf dem die Schulden lasteten. Am nächsten Morgen hatte es zu regnen aufgehört. Zum
    Frühstück gab es wieder trockenes Brot und Sauerbier. Danach wanderten Mildrith und ich auf einen Hügel, der einen weiten Ausblick auf das Meer bot, das sich, grau und flach wie die Klinge einer Axt, vor uns ausbreitete. «Wohin zieht sich das Volk zurück, wenn die Dänen kommen?», fragte ich, ihre Knechtschaft und Pächter im Sinn.
    «Ins Hinterland, Herr.»
    «Mein Name ist Uhtred.»
    «Ins Hinterland, Uhtred.»
    «Du gehst woanders hin», sagte ich.
    «Woanders hin?» Sie blickte verängstigt auf.
    «Du begleitest mich nach Hamtun», erklärte ich. «Dort werden wir in einem Haus wohnen, solange ich die Flotte befehlige.»
    Sie nickte sichtlich nervös. Ich nahm ihre Hände, öffnete sie und häufte dreiunddreißig Schillinge darauf, so viele Münzen, dass sie nicht alle fassen konnte. «Für dich, Weib», sagte ich.
    Und das war sie jetzt, mein Weib. Noch am selben Tag brachen wir auf, nach Osten, als Mann und Frau.
    Diese Geschichte nimmt nun an Fahrt auf, fließt immer schneller wie ein Gebirgsfluss, der auf einen Katarakt zuströmt und sich dann mit aller Gewalt schäumend und tosend über Felsgestein stürzt. Denn es war das Jahr 876, das Jahr, in dem die Dänen unter Aufbietung all ihrer Kräfte das letzte englische Königreich bezwingen wollten. Ihr Angriff kam plötzlich und mit ungezähmter Wucht.
    Guthrum der Unglückliche führte den Überfall an. Er lebte in Grantaceaster und nannte sich selbst König von Ostanglien. Ich glaube, Alfred hatte sich darauf verlassen, früh genug

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