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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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anziehend. Das überraschte, ja, verwunderte mich, denn eine solche Frau hätte längst verheiratet sein können. Sie war fast siebzehn Jahre alt, also in einem Alter, in dem die meisten Frauen bereits drei oder vier Kinder zur Welt gebracht hatten, wenn sie nicht schon im Kindbett gestorben waren. Als wir zu ihrem Landgut ritten, das westlich der Uisc- Mündung lag, gab sie über sich Auskunft. Sie saß in einem Karren, der von zwei Ochsen gezogen wurde, welche Willibald mit Blumengirlanden hatte schmücken lassen. Leofric, Willibald und ich ritten nebenher, und Willibald stellte ihr Fragen, auf die sie bereitwillig antwortete, denn er war ein Priester und ein freundlicher Mann.
    Ihr Vater, so berichtete sie, habe ihr Land und Schulden hinterlassen, Schulden, die den Wert des Landes überstiegen. Leofric kicherte, als er das Wort Schulden hörte. Ich sagte nichts und starrte einfach nur geradeaus.
    Die Not sei über sie hereingebrochen, so Mildrith, als ihr Vater ein Zehntel seiner Ländereien der Kirche als aelmesaecer vermacht habe, was heißt, dass der Kirche dieses Land zwar nicht gehört, sie aber Anspruch auf alle Erträge hat, sei es in Form von Getreide oder Vieh. Mildrith erklärte, dass sich ihr Vater zu dieser Schenkung entschieden habe, weil er, dem alle seine Kinder mit Ausnahme ihrer selbst gestorben waren, Gott damit habe günstig stimmen wollen. Ich vermutete allerdings, dass es ihm eher um Alfreds Gunst ging, denn in Wessex war ein Mann, der dem König gefallen wollte, gut beraten, wenn er sich um die Kirche verdient machte.
    Doch dann hatten die Dänen das Land geplündert und alles Vieh geschlachtet, die Ernte war ausgeblieben, worauf die Kirche ihren Vater vor Gericht zitierte, weil er sein Versprechen nicht halten konnte. In Wessex herrschten, wie ich erfuhr, Recht und Gesetz, und deren Verteidiger waren ausnahmslos Priester. Mit anderen Worten: Über das Recht bestimmte die Kirche. Als Mildriths Vater starb, wurde verfügt, dass er der Kirche eine große Summe Geldes schuldete, ob er nun zahlen konnte oder nicht. Alfred hätte diese Schulden streichen können, tat es aber nicht. Kurzum, wer Mildrith heiratete, heiratete auch ihre Erbschaft an Schulden. Darum war sie ledig geblieben. Bis schließlich ein Tölpel aus Northumbrien in die Falle tappte wie ein Betrunkener, der auf steil abschüssiger Strecke torkelt.
    Leofric lachte. Willibald zeigte sich besorgt. «Wie hoch ist die Schuldlast?», fragte ich. «Zweitausend Schillinge, Herr», antwortete Mildrith im Flüsterton.
    Leofric erstickte fast an seinem Lachen, und ich hätte ihm am liebsten auf der Stelle den Garaus gemacht.
    «Und vermutlich nimmt sie von Jahr zu Jahr zu, nicht wahr?», warf Willibald ein.
    «Ja», sagte Mildrith, die sich scheute, mir in die Augen zu blicken. Ein gescheiterer Mann hätte sich vor einer Eheschließung mit Mildrith über ihre Vermögensverhältnisse in Kenntnis gesetzt. Ich aber hatte nur meine Schiffe im Sinn gehabt. Die also besaß ich nun, und mit ihr einen Berg Schulden, eine Frau und einen neuen Feind: Odda den Jüngeren, der Mildrith offenbar für sich hatte haben wollen, was aber von seinem klugen Vater verhindert worden war, und das, wie ich vermutete, nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen. Er wollte vermutlich auch nicht, dass sein Sohn unstandesgemäß heiratete.
    Unter den Menschen herrscht eine Rangordnung. Beocca behauptete immer wieder, sie entspreche der Hierarchie im Himmel. Ob dem tatsächlich so ist, weiß ich nicht, ich weiß jedoch, wie die Menschen aufgestellt sind. An der Spitze steht der König, darunter stehen seine Söhne, dann kommen als Landadelige die Aldermänner, denn ohne Landbesitz kann ein Mann nicht adelig sein. Ich bin von Adel, denn mir gehört Bebbanburg, den Anspruch darauf habe ich nie aufgegeben. Der König und seine Aldermänner halten die Macht, denn nur sie können ihre Untertanen zu den Waffen rufen. Ihnen untersteht der niedere Adel, aus Vögten bestehend, die in dem Land ihres Herrn für Recht und Ordnung verantwortlich sind, und das auch nur, solange sie in deren Gunst stehen. Vögte entstammen den Reihen der Thegn, wohlhabenden Männern, die mit eigenem Gefolge in den Krieg ziehen, aber sehr viel weniger Land besitzen als zum Beispiel Odda oder mein Vater. Unter den Thegn stehen die Ceorls. Das sind freie Männer, die jedoch, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können, in die Knechtschaft absinken, also auf den Grund des Dunghaufens.

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