Das letzte Koenigreich
Harfe.»
«Eine Harfe!» Er lachte. «Du hast lauter Mist im Kopf.»
«Sie gibt nur Geräusche von sich, wenn man sie berührt», sagte ich. «Aber wer darauf zu spielen versteht, entlockt ihr Musik.»
«Gütiger Himmel!» Er musterte mich besorgt. «Du bist genauso schlimm wie Alfred, und du machst dir zu viele Gedanken.»
Er hatte Recht. Alfred war besessen von der Ordnung, von der Aufgabe, das Leben in berechenbare Bahnen zu lenken. Dazu sollten nach seinem Willen die Kirche und das Recht verhelfen, was in etwa das Gleiche ist. Ich aber wollte in den Schicksalsfäden des Lebens ein Muster finden. Am Ende entdeckte ich eines, aber es hatte nichts mit irgendeinem Gott zu tun, sondern mit den Menschen. Mit den Menschen, die wir lieben. Mein Harfner hat allen Grund zum Lächeln, wenn er mich als Uhtred den Beschenkenden oder den Rächer oder den Witwenmacher besingt, denn er ist alt und hat gelernt, was auch ich gelernt habe, nämlich, dass ich in Wirklichkeit Uhtred der Einsame bin. Wir sind alle einsam und suchen nach einer Hand, die uns im Dunkeln festhält. Was zählt, ist nicht die Harfe, sondern die Hand, die sie spielt.
«Von zu viel Denken bekommt man nur Kopfschmerzen», sagte Leofric.
«Earsling», erwiderte ich.
Mildrith war wohlauf und in Sicherheit. Sie weinte, als sie mich sah, und ich schloss sie in meine Arme, verwundert darüber, wie gern ich sie hatte. Sie sagte, dass sie für mich gebetet und gefürchtet habe, ich sei tot. Dann führte sie mich in die Kammer, wo unser Kind in Windeln lag, und ich sah zum ersten Mal Uhtred, den Sohn Uhtreds, und betete, dass er eines Tages der rechtmäßige und alleinige Besitzer jener Länder sein würde, deren Grenzen gewissenhaft markiert sind von Steinen und Deichen, Eichen und Eschen, von Sümpfen und vom Meer. Mir gehören diese Länder, die mit dem Blut unserer Familie erworben wurden, nach wie vor. Ich werde sie dem Mann, der sich an ihnen vergriffen hat, wieder abnehmen und sie meinem Sohn hinterlassen. Denn ich bin Uhtred, Graf Uhtred, Uhtred von Bebbanburg, und dem Schicksal entrinnt niemand.
NACHWORT DES AUTORS
Alfred ist der einzige Monarch der englischen Geschichte, dem die Ehre des Beinamens «der Große» zuteil wurde. Mit diesem Roman und denen, die noch folgen werden, versuche ich nachzuzeichnen, wie er zu diesem Titel gekommen ist. Allgemein gesprochen und ohne den nächsten Romanen vorzugreifen, lässt sich sagen, dass Alfred das Verdienst anzurechnen ist, Wessex, und letztlich das englische Volk, erfolgreich gegen die Übergriffe der Dänen verteidigt zu haben. Sein Sohn Edward, seine Tochter A Ethelflaed und sein Enkel A Ethelstan vollendeten, was er begonnen hatte, nämlich die Schaffung einer politischen Einheit, der sie den Namen Englaland gaben. Es ist meine Absicht, Uhtred in der gesamten Geschichte eine Rolle spielen zu lassen.
Die Geschichte aber beginnt mit Alfred, der tatsächlich ein außerordentlich frommer Mann und häufig krank war. Vermutlich litt er unter Morbus Crohn, einer chronischen Darmentzündung, sowie unter Hämorrhoiden. Hinweise darauf sind einem Buch zu entnehmen, das von Bischof Asser verfasst wurde, einem Mann, der Alfred sehr nahe stand - allerdings erst in späterer Zeit und nach den Ereignissen, die im vorliegenden Roman beschrieben werden. In akademischen Kreisen wird heute darüber gestritten, ob Bischof Asser tatsächlich der Biograph Alfreds war oder ob dessen Lebensgeschichte womöglich gefälscht ist und erst hundert Jahre nach seinem Tod niedergeschrieben wurde.
Ich bin nicht qualifiziert genug, um ein eigenes Urteil in dieser Sache fällen zu können, doch scheint mir, dass dieses Werk, auch wenn es sich um eine Fälschung handelt, so viel Zutreffendes enthält, dass, wer immer es auch geschrieben haben mag, sehr viel über Alfred wusste. Fest steht jedenfalls, dass der Autor Alfred in ein strahlendes Licht als Krieger, Gelehrter und Christ zu rücken versuchte, gleichwohl aber nicht davor zurückscheute, auch die Jugendsünden des Helden zu beleuchten. Alfred, so berichtet er, «konnte der fleischlichen Lust nicht absagen», bis ihn Gott in seiner Gnade mit einer Krankheit geschlagen habe, mit deren Hilfe er der Versuchung schließlich zu widerstehen vermochte. Ob Alfred einen unehelichen Sohn hatte, bleibt fraglich, doch wäre es durchaus möglich.
Die größte Herausforderung, vor die sich Alfred gestellt sah, war die Invasion der Dänen. Manche Leser werden vielleicht enttäuscht darüber
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